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Pneumokokkenbakterien können vor allem Menschen ab 50 gefährlich werden. Eine Impfung reduziert das Risiko, eine Lungenentzündung zu bekommen, um die Hälfte.

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Wien – Ältere Österreicher scheinen von Impfungen wenig zu halten: Nur jeder Dritte zwischen 65 und 74 Jahren lässt sich gegen Grippe impfen, gegen Pneumokokken sind es noch weniger. Auch von den Grundimpfungen ist nur mehr ein reduzierter Schutz übrig. In einer Studie mit 252 Leuten über 60 Jahren hatten 65 Prozent nicht genügend Antikörper gegen Diphtherie, gegen Tetanus waren aber 88 Prozent geschützt.

"Gerade für ältere Menschen sind Impfungen enorm wichtig", sagt Birgit Weinberger vom Institut für biomedizinische Alternsforschung an der Medizinischen Universität Innsbruck. "Infektionskrankheiten treten bei Menschen im höheren Lebensalter häufiger auf, und sie verlaufen schlimmer."

Daten über die Folgen mangelnden Impfschutzes gibt es aus den USA. Dort müssen pro Jahr mehr als 100.000 Menschen wegen Grippe ins Spital, und mindestens 36.000 sterben – die meisten davon sind über 65 Jahre alt. Pneumokokken verursachen Lungenentzündungen und selten auch Blutvergiftungen oder Hirnhautentzündungen, die vor allem bei Leuten über 50 auftreten.

Schmerzen, schlimmer als bei der Geburt

Allein in den USA erkranken pro Jahr an pneumokokkenbedingten Blutvergiftungen oder Hirnhautentzündungen 24.000 Menschen, 4500 sterben daran. Beim Herpes Zoster, besser bekannt als Gürtelrose, werden "schlafende" Windpockenviren, die nach der ersten Infektion ein Leben lang im Körper bleiben, reaktiviert, und man bekommt einen bläschenförmigen, sehr schmerzhaften Ausschlag. Jeder zweite Fall tritt bei Menschen über 85 Jahren auf. Einige bekommen nach Abheilen des Ausschlags Schmerzen, die sie als unerträglich und "schlimmer als bei der Geburt oder bei Arthrose" beschreiben, mitunter können sie monate- oder jahrelang anhalten.

"Das Immunsystem älterer Menschen kann sich gegen Bakterien oder Viren nicht mehr so gut zur Wehr setzen", sagt Weinberger. Denn fast alle Zellen des älteren menschlichen Immunsystems arbeiten weniger aktiv als in jüngeren Jahren. Als erste Abwehrstrategie gegen Keime werden diese von bestimmten Abwehrzellen erkannt und aufgefressen.

"Im Alter lässt die Fresslust dieser Zellen nach, und es dauert länger, bis die Erreger komplett aus dem Körper eliminiert werden", erklärt Weinberger. Mit zunehmendem Alter produziert der Körper zudem weniger Antikörper, die vor Infektionen schützen. Deshalb wirken Impfungen bei älteren Menschen nicht so gut, und man muss sie öfter wiederholen. So sollte man Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten und Polio (Kinderlähmung) auch nicht nur alle zehn Jahre auffrischen wie in jüngerem Alter, sondern alle fünf Jahre.

Bessere Wirksamkeit

Das Bundesamt für Gesundheit empfiehlt allen über 60-Jährigen einmal jährlich eine Grippeimpfung. Damit verläuft die Krankheit milder oder man erkrankt erst gar nicht. Forscher versuchen seit Jahren, die Wirksamkeit zu verbessern. Etwa mit Hilfsstoffen in der Impflösung oder indem man in die Haut statt in den Muskel spritzt. Beides regt das Immunsystem an, mehr Antikörper zu produzieren.

Ebenfalls empfohlen wird die Impfung gegen Pneumokokken. Die reduziert das Risiko, eine Lungenentzündung zu bekommen, um die Hälfte. Geraten wird auch zu einer einmaligen Herpes-Zoster-Impfung. In einer Studie mit 38.546 Teilnehmern über 60 Jahren bekamen mit der Impfung halb so viele Gürtelrose, und die Zahl derer mit quälenden Schmerzen sank um zwei Drittel.

Geringeres Hepatitis A-Risiko

Mit den Basisimpfungen ist es jedoch nicht getan: "Senioren reisen heute häufiger als früher, und auch sie sind natürlich vor Reiseinfektionskrankheiten nicht gefeit", sagt Johannes Blum, Leitender Arzt am Schweizerischen Institut für Tropenmedizin in Basel. Bei Älteren müsse man besonders sorgfältig den Nutzen einer Impfung gegenüber möglichen Schäden abwiegen. Senioren würden häufiger in Hotels mit besserer Hygiene übernachten und in guten Restaurants essen, erzählt er, wo man sich nicht so leicht mit Keimen infiziert.

Er lasse sich immer genau erzählen, was für eine Reisen jemand vorhat, so könne er feststellen, welche Impfungen sinnvoll sind. Ältere haben durch ihr Reiseverhalten zwar ein geringeres Risiko, an Hepatitis A zu erkranken, und einige haben die Krankheit schon durchgemacht, trotzdem rät Blum meist doch zur Impfung, weil Hepatitis bei Älteren schwerer verläuft.

Beratung vor Fernreisen

Auch bei der Japanischen Enzephalitis haben jene, die zur Generation 50 plus gezählt werden, ein geringeres Risiko, sich anzustecken, doch wenn sie erkranken, verläuft eine Hirnentzündung schwerer. "Trotzdem müssen sich Senioren nur sehr selten vor Reisen impfen lassen", kann Blum aus Erfahrung sagen. Man steckt sich nämlich vor allem dann an, wenn man in ländlichen Gegenden in Asien übernachtet, und zwar dort, wo Reisanbau betrieben wird. "Die meisten älteren Menschen haben allerdings keine abenteuerlichen Reisepläne", sagt Blum. Er hätte im letzten Jahr keinen einzigen älteren Patienten gegen Japanische Enzephalitis geimpft.

Eine Gelbfieberimpfung verursache bei älteren Senioren häufiger als bei Jüngeren Nebenwirkungen, was – wenn auch selten – zu Organversagen und anderen schweren Schäden führen könne. Eine Impfung käme infrage, wenn in dem geplanten Reiseland gerade ein Gelbfieberausbruch zu verzeichnen ist und ein längerer Aufenthalt über mehrere Wochen geplant ist. Abgesehen davon sei die Impfung für bestimmte Länder obligatorisch. Für eine Reiseimpfberatung solle man sich Zeit nehmen und einige Wochen vor der Abfahrt kommen, rät Blum. "Ist eine Impfung notwendig, braucht der Körper Zeit, um die schützenden Antikörper zu produzieren. "Das Immunsystem ist halt nicht mehr so flott wie bei Jüngeren." (Felicitas Witte, 20.5.2016)