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Über Menschen und Dinge gibt es unzählige Daten: Aufenthaltsort, Gesundheitszustand, Börsenkurs, Lufttemperatur, etc. Wie man aus solchen Big Data sinnvolles Wissen gewinnen kann, ist laut Stefan Thurner Ziel des neuen Forschungszentrums "Complexity Science Hub Vienna", das am Montag offiziell eröffnet wird. Der Komplexitätsforscher ist sich sicher, dass man damit "phantastische Dinge tun kann".

"Verein zur wissenschaftlichen Erforschung komplexer Systeme"

Getragen wird die neue Forschungsstelle vom "Verein zur wissenschaftlichen Erforschung komplexer Systeme". Dessen Mitglieder sind die Technischen Universitäten Wien und Graz, die Medizinische Universität Wien, die Wirtschaftsuniversität (WU) Wien und das Austrian Institute of Technology (AIT). Das Internationale Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA) sei kurz vor dem Beitritt, sagte der Präsident des "Complexity Science Hub Vienna" (CSH), Stefan Thurner, der Professor für Komplexitätsforschung an der Meduni Wien ist, im Gespräch.

Die Projektpartner tragen mit jeweils 200.000 Euro pro Jahr zum neuen Zentrum bei, primär in Form von zwei Stellen für einen Senior- und einen Junior-Wissenschafter. "Wir sind derzeit aktiv im Headhunting-Prozess und haben einige Kandidaten sehr klar vor Augen", sagte Thurner. Beschäftigt werden die Wissenschafter an den jeweiligen Partnereinrichtungen, um die Verwaltung des CSH gering zu halten. Im Endausbau sollen maximal 50 Wissenschafter am Hub arbeiten, der als Nachbar des Instituts für Höhere Studien (IHS) ins Palais Strozzi in Wien-Josefstadt eingezogen ist.

Aufteilung

Jede Partnereinrichtung gibt dabei grob die Forschungsrichtung seines dem Hub zugeordneten Personals vor: Für die TU Wien ist das "Smart Cities", für die Meduni Wien "Big Data in Medizin", für die WU "Systemic Risk" und "Internet der Dinge", die TU Graz will sich "Produktionsprozessen der Zukunft" widmen und das AIT dem "Innovationsprozess", so Thurner.

An öffentlichen Förderungen hofft der CSH auf Mittel des Infrastrukturministeriums für den Aufbau des Hubs und zwei Mio. Euro aus der Nationalstiftung für Forschung. Mit diesem Geld soll das Gastwissenschafter-Programm aufgebaut werden, für Thurner ein zentrales Element des CSH: Die am Hub arbeitenden Forscher sollen mehrere Experten für mehrtägige Mini-Workshops oder einzelne Wissenschafter für ein paar Wochen oder Monate nach Wien einladen, um gemeinsam an einem Problem zu arbeiten.

Vernetzung von Menschen, Einrichtungen, Computern, Märkten, Maschinen, Dingen

Hintergrund der Initiative ist die drastisch zunehmende Vernetzung von Menschen, Einrichtungen, Computern, Märkten, Maschinen, Dingen, etc., die mit einer ebenso drastischen Zunahme von Daten – aber auch Risiken – einhergeht. Aus diesen Daten wollen die Komplexitätsforscher "nutzbaren Sinn" generieren, wie Thurner sagte. Denn auch wenn man alle Informationen über ein System habe, verstehe man es deshalb nicht. "Um zu sinnvollen Aussagen zu kommen, braucht man neuartige mathematische Methoden."

Ziel des CSH sei es einerseits solche Methoden zu entwickeln und andererseits die Daten in eine Form zu bringen, "dass man Systeme modellieren und die Wirklichkeit im Computer nachspielen kann". Zudem will sich das Forschungszentrum als "Datensammel- und Servicestelle" etablieren, wo Organisationen sicher sein können, dass ihre Daten anonymisiert, legal und sicher bearbeitet und schließlich auch verständlich aufbereitet werden, so Thurner.

Daten-Ethik

Als Seiteneffekt davon will er den CSH auch zu einem Zentrum für die Debatte über Daten-Ethik machen. "Wir werden diese Daten nie wieder wegbringen, es werden sogar mehr werden und wir müssen diskutieren, was das für Implikationen auf Demokratie, Bürgerrechte, Privatsphäre, usw. hat, das ist alles nicht beantwortet", sagte der Wissenschafter. (APA, 18.5. 2016)