Roman Pfefferle/Hans Pfefferle, Glimpflich entnazifiziert. Die Professorenschaft der Universität Wien von 1944 in den Nachkriegsjahren. € 54,99 / 369 Seiten. Vienna University Press, Göttingen, 2014.

Cover: Vienna University Press

Andreas Huber, Rückkehr erwünscht. Im Nationalsozialismus aus "politischen" Gründen vertriebene Lehrende der Uni Wien. € 39,90 / 380 Seiten. Lit-Verlag, Wien, 2016.

Cover: Lit-Verlag

Das Kriegsende hätte eine Stunde null für die Universitäten in Österreich sein können. Ab Anfang 1946 zirkulierten zwei Listen mit 175 und sogar 370 Namen von rückkehrwilligen Wissenschafterinnen und Wissenschaftern, die 1938 vertrieben worden waren.

Doch diese von den britischen und US-amerikanischen Alliierten dem Unterrichtsministerium und der Uni Wien übergebenen Namenslisten blieben vom damaligen Rektor praktisch unbeachtet. Nur wenige der darauf verzeichneten Forscher kehrten tatsächlich zurück. Und besonders gering war die Zahl derer, die jüdischer Herkunft waren und/oder politisch links standen.

Warum das so kam, lässt sich nun in zwei einander ergänzenden Studien nachlesen, die personelle Kontinuitäten und Brüche im Lehrkörper von Österreichs größter Universität nach 1938 und 1945 analysieren.

Die politisch Entlassenen 1938

Der Soziologe und Historiker Andreas Huber rekonstruiert in seinem Buch Rückkehr erwünscht, welche Wissenschafter 1938 aus politischen (und nicht "rassischen") Gründen entlassen wurden und wie sehr diese Forscher (meist austrofaschistische Funktionäre) nach 1945 das Geschehen an den Unis mitbestimmten. Der Politologe Roman Pfefferle zeigt mit seinem Vater, dem Historiker Hans Pfefferle, komplementär dazu, wie viele der Ex-Nazi-Professoren nach 1945 weiter im akademischen Betrieb blieben und diesen lange mitprägten.

Beginnen wir mit den nackten Zahlen: Von den über 300 Lehrenden, die zwischen 1938 und 1945 von der Universität Wien vertrieben wurden, mussten rund 90 aus politischen Gründen gehen. Linke Wissenschafter gab es damals längst schon nicht mehr, denn die waren bereits unter Dollfuß und Schuschnigg gegangen worden. Die nach dem "Anschluss" aus politischen Gründen Entlassenen waren also vor allem austrofaschistische Funktionäre, dazu kamen einige wenige Liberale und Pazifisten.

1944: 74 Prozent der Professoren waren NS-belastet

Das Ergebnis der Gleichschaltung: 1944 waren von den 124 Professoren der Uni Wien nicht weniger als 92 (also rund 74 Prozent) Mitglieder oder Anwärter der NSDAP. Wollte man in der Zweiten Republik tatsächlich einen radikalen Neubeginn wagen, mussten fast drei Viertel der Professoren entlassen und ersetzt werden.

Wie dieser Neubeginn scheiterte, machen Pfefferle und Pfefferle anhand der 124 Personen und ihrer zum Teil erstaunlichen Karrieren deutlich: Immerhin 56 der 92 belasteten Professoren konnten ihre Karriere fortsetzen, zum Teil allerdings erst nach einer "peinlichen Zwischenzeit", wie es einer der zurückgekehrten Ex-Nazis, der Theaterwissenschafter Heinz Kindermann, formulierte.

Andreas Huber wiederum zeigt, wie es zu den "schwarzen" Kontinuitäten kam. Für diese sorgten Professoren wie Ludwig Adamovich, der im Ständestaat letzter Justizminister war und 1938 entlassen wurde. 1945 wurde er dann erster Nachkriegsrektor der Uni Wien – und war als solcher unter anderem auch für die Remigration zuständig. (Klaus Taschwer, 21.5.2016)