Das "Duell" zwischen Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer im Privatsender ATV wurde in den Kommentaren allgemein als "Kindergartenstreit" kritisiert. Das stimmt nur hinsichtlich des äußeren Eindrucks, demzufolge sich ein älterer und ein jüngerer Herr Vorwürfe und Beleidigungen an den Kopf warfen.

In Wahrheit sah man die gegenwärtige politische Gesamtsituation. Abgefeimte, gut trainierte Rechtspopulisten führen hilflose Mitte-Politiker (und Journalisten) regelmäßig vor. Die mit den herrschenden Verhältnissen diffus unzufriedene breite Öffentlichkeit merkt nicht die zielgerichtete Aggression dahinter – oder ist ohnehin eher einverstanden.

Der mit allen Wassern des modernen Kommunikationstrainings gewaschene Rechtspopulist Norbert Hofer lockte den diesbezüglich ungecoachten oder beratungsresistenten bürgerlichen Liberalen Van der Bellen auf ein sumpfiges Terrain, auf dem dieser seine Stärken – Seriosität, Bildung, Ernsthaftigkeit – nicht ausspielen konnte.

Hofer arbeitet wie alle Rechtspopulisten und alle FPÖler seit Jörg Haider mit Unterstellungen, frei erfundenen "Fakten", blitzartigem Wechsel des Themas, Ausnutzen von ranzigen Ressentiments, Argumenten "ad hominem", billigen Witzen und Gesprächszerstörung ("Wieso sind Sie schon wieder so böse, Herr Doktor?"). Van der Bellen, der sich sichtlich vorgenommen hatte, diesmal weniger passiv zu sein, geriet in Rage und ließ sich hinreißen. Er blieb nicht bei sich selbst und verlor dadurch eine mögliche präsidentielle Aura. Auch Hofer schadete sich an diesem Abend eher selbst, weil hinter seiner biedermännischen Miene der nackte Vernichtungswille sichtbar wurde. Aber Van der Bellen hatte mehr zu verlieren.

Der Kommunikationswissenschafter Walter Ötsch hat schon vor Jahren die Technik beschrieben, derer sich die Rechtspopulisten bedienen. Ein Auszug:

"Predigen Sie etwas Einfaches.Teilen Sie die (soziale) Welt in zwei Teile: in DIE WIR und in DIE ANDEREN. Definieren Sie DIE WIR als bedroht. Geben Sie niemals einen Fehler zu. Bei Angriffen: Wechseln Sie blitzschnell in die Opferrolle. Erfinden Sie Sündenböcke. Erklären Sie Ihr Weltbild durch (erfundene) Einzelfälle. Polarisieren Sie. Erfinden Sie für alles unüberbrückbare Gegensätze".

Politiker (und Journalisten) der linken und rechten Mitte sowie ein großer Teil der Öffentlichkeit geben sich mit wenigen Ausnahmen der Illusion hin, die Rechtspopulisten wären halt auch ein Teil des normalen politischen Spektrums. In Österreich hat das "Dritte Lager", das im Deutschnationalismus des 19. Jahrhunderts wurzelt und Elemente des Nationalsozialismus trotz offizieller Absage an diesen mitschleppt, lange, lange auf seine Chance warten müssen. Jetzt ist sie da, und es gedenkt, sie eiskalt zu ergreifen.

Der Beginn einer Gegenstrategie wäre: zu begreifen, dass es dem rabiaten Rechtspopulismus nicht darum geht, "auch einmal dranzukommen". Die wollen den Umbau des demokratischen Systems in Richtung eines plebiszitären, autoritären Führerstaates. (Hans Rauscher, 18.5.2016)