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Auf einem Spruchband wurde "echtes Wahlrecht" gefordert.

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Hongkong/Wien – Die Hongkonger Polizei war auf den hohen Besuch vorbereitet worden: 6000 Polizisten waren schon am Dienstag im Einsatz, Pflastersteine auf dem Boden festgeleimt, damit sie nicht geworfen werden können. Wassergefüllte Barrieren riegelten das Gebäude der Wirtschaftskonferenz ab, damit Zhang Dejiang nichts von den Protesten mitbekommen würde.

Zhang ist Vorsitzender des Nationalen Volkskongresses Chinas und damit dritter Mann im Staat. Als Chef der Behörde für Hongkong- und Macau-Angelegenheiten ist er für die Sonderverwaltungszone zuständig. Seine Visite ist der erste Besuch eines chinesischen Politikers seines Ranges seit den Protesten von 2014.

Ob heute, Mittwoch, am zweiten Tag des Besuches, alles ruhig bleiben würde, war trotzdem nicht klar. Immerhin war den Demonstranten schon am Dienstag ein kleiner Coup geglückt: Sie hatten auf einem Felsen ein Banner entrollt, auf dem die Forderung nach einem "echten universellen Wahlrecht" zu lesen war. Auf mehreren anderen Felsen hatten sich Polizisten postiert, um genau solche Aktionen zu verhindern.

Heikler Zeitpunkt

Zhangs Besuch kommt zu einer heiklen Zeit: In den vergangenen Monaten haben Bewegungen Zulauf gewonnen, die sich für eine Unabhängigkeit von China einsetzen. Ihre Stärke ist auch Resultat einer Entscheidung von 2014, für die Zhang verantwortlich ist: Damals hatte Peking einen folgenschweren Beschluss verlautbart. Für die laut Hongkonger Grundgesetz für 2017 geplanten Wahlen eines Verwaltungschefs sollten nicht alle Kandidaten zugelassen werden.

Die Bürger sollten stattdessen zwischen wenigen, von einem Komitee vorausgewählten Personen entscheiden. Unmittelbare Folge waren die "Regenschirm-Proteste", in deren Verlauf 90 Menschen verletzt wurden. Langfristiges Resultat war die Hinwendung vieler Bürgerinnen und Bürger zu jenen Bewegungen, die Peking kritisch gegenüberstehen.

Jüngste Ereignisse – etwa die offensichtliche Entführung prominenter kritischer Buchhändler durch chinesische Beamte – haben die Fronten verschärft. Auch die wachsende wirtschaftliche Ungleichheit facht die Peking-kritische Stimmung an. Zhang hatte vor dem nun laufenden dreitägigen Besuch trotzdem angekündigt, sich auch mit Vertretern der Opposition treffen zu wollen.

Kulturrevolution "war falsch"

Ohnehin ist Chinas Führung derzeit nervös – sie fürchtet im ganzen Land Störaktionen zum 50. Jahrestag des Beginns der Kulturrevolution. Während sich offizielle Medien bisher mit Kommentaren zurückgehalten haben, meldete sich am Dienstag das Parteiorgan People's Daily zu Wort. Die Kulturrevolution sei "falsch" gewesen und dürfe sich nicht wiederholen, heißt es dort. Man müsse aus der Geschichte lernen – und sich daher um Parteichef und Präsident Xi Jinping sammeln. (Manuel Escher, 18.5.2016)