Bild nicht mehr verfügbar.

Die Krimmler Wasserfälle sind nicht nur eine Naturschönheit, sie sollen auch Asthmapatienten Linderung verschaffen.

Foto: picturedesk.com / Ludwig Mallaun

Salzburg – Die Städte werden voller. Die Menschen entfliehen mehr und mehr jener Sphäre, in der sich ihre Evolution abgespielt hat. Zivilisationskrankheiten wie Allergien, Asthma oder Adipositas werden mit dem naturfernen Leben in Zusammenhang gebracht. Dem Menschen als Produkt der biologischen Natur scheint das künstliche Umfeld nicht gutzutun. Aber wie genau wirkt sich die Natur positiv auf den Menschen aus? Was sind das für Signale aus der Natur, die auf Körper und Psyche wirken?

An der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität in Salzburg wurde vergangenen Herbst ein Institut für Ecomedicine gegründet, das diesen Fragen nachgehen soll. Institutsleiter Arnulf Hartl untersucht mit seinem Team die vielfältigen Auswirkungen verschiedener Naturerfahrungen. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse stehen dabei im Vordergrund, sagt Hartl – dass Ergebnisse, sofern verwertbar, von den Touristikern aufgegriffen werden, sei ein Nebeneffekt.

"Trail for Health"

Im Projekt "Trail for Health" haben sich etwa Tourismusregionen, Forschungs- und Bildungsstätten zusammengefunden – darunter die Ludwigs-Maximilians-Universität München -, um neue Konzepte zu liefern. Im Rahmen einer klinischen Studie wurde dabei von Hartl und Kollegen untersucht, ob sich Badetherapie und gezielte Bewegungstherapie zur Stärkung des Immunsystems bei älteren Menschen eignen. Die 65- bis 85-jährigen Probanden gingen eine Woche lang täglich wandern und blieben dabei neun Stunden im Freien. Dreimal pro Woche wurden Heilbäder besucht. Eine Kontrollgruppe machte bewegungsarmen Kultururlaub.

Für die Messung der Auswirkungen der Aktivitäten werden beispielsweise die sogenannten T-Zellen im Körper der Senioren untersucht, die als zentrale Akteure der Immunabwehr des Körpers bekannt sind. "Wir schauen, ob wir durch Wandern und Baden alte T-Zellen durch junge ersetzen können", erklärt Hartl. Die Hypothese lautet, dass wirkungslos gewordene Zellen durch die Bewegung aus dem Blutkreislauf entfernt werden und so den jungen, reaktionsfähigen Zellen Platz machen.

Drei weiteren Studien, bei denen Hartls Gruppe mit dem Institut für Sportwissenschaften der Uni Innsbruck kooperiert, sind dem Themenkreis Bergsport und Gesundheit gewidmet. Beispielsweise soll herausgefunden werden, ob unberührte Natur anders auf Erholungsuchende wirkt als ein Umfeld, das etwa durch Skipisten oder Wasserwirtschaft erschlossen ist.

Mindestmaß an Grün

Gegebenenfalls unterschiedlichen Auswirkungen wird dabei nicht nur mit psychologischen Fragebögen, sondern auch mit der Untersuchung der Stresshormone im Speichel nachgegangen. Eine Frage, die hinter solchen Untersuchungen stehe, sei auch, wie viel Natur letzten Endes im anthropogenen Umfeld der Stadt erhalten bleiben müsse, um Kindern ein gesundes Heranwachsen zu garantieren.

Ihren Durchbruch schafften die Ecomedizin-Forscher mit der Heilkraft von Wasserfällen. "Bisher gab es keine einzige Untersuchung, wie sich ein Wasserfall auf die Gesundheit auswirkt", sagt Hartl. "Die Studie dazu war unsere Eintrittspforte in die Welt der Ecomedizin." Die Forscher untersuchten, ob die Krimmler Wasserfälle im Nationalpark Hohe Tauern bei Asthma helfen konnten.

Die Wahl der Probanden stellte sicher, dass die Beobachtungen frei von Placeboeffekten sind: Man verwendete Mäuse. Für drei Wochen wurden 400 Tiere – ein Mausmodell für Asthma – täglich eine Stunde nahe den Wasserfällen positioniert. Das sei sehr gut verlaufen, so Hartl. Blut- und Lungenwerte der Tiere verbesserten sich. Die Wasserfälle wurden zu einer "staatlich anerkannten Gesundheitsressource".

Genaue Wirkungsweise unklar

Wie der Wasserfall seine Wirkung genau entfalte, sei aber noch nicht klar. Eine Hypothese ist, dass die Aerosole von wenigen Nanometern Durchmesser "oxidativen Stress" in der Lunge hervorrufen, auf den der Körper in einer Weise reagiert, die dem Asthma entgegenwirkt.

Nicht jeder Wasserfall wirkt gleich. Und auch bei der Untersuchung diverser Heilquellen, denen traditionell hohe Wirkkraft zugesprochen wurde, habe es da und dort schon Überraschungen gegeben: zum Beispiel, dass absolut keine positive Wirkung feststellbar sei. (pum, 21.5.2016)