ÖVP-Chef und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner muss den Kurs vorgeben: Wohin der Weg gehen wird, ist vielen in der Partei noch nicht klar.

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In der ÖVP gibt es durchaus unterschiedliche Fraktionen, was die zukünftige Regierungszusammenarbeit und mögliche Neuwahlen anbelangt. Es gibt eine kleine Gruppe, die sich nach außen hin bedeckt hält, ihr Anliegen aber nach innen schon kommuniziert hat: Ihre Proponenten treten für vorgezogene Neuwahlen ein. Zwei Argumente werden dafür ins Treffen geführt: Sie lauten Christian Kern und Heinz-Christian Strache.

Je länger Kern im Amt sei, umso eher könnte es ihm gelingen, die SPÖ zu sanieren und wieder zu einer einheitlichen, schlagkräftigen und mobilisierungsfähigen Bewegung zu formen. Nach dem Parteitag der Sozialdemokraten im Herbst könnten diese sich neu aufgestellt in aller Ruhe an die Vorbereitung der Nationalratswahlen 2018 machen – mit einer einfachen und leicht verständlichen Erzählung ihrer Anliegen. Den Entwurf dieser "Erzählung" traut man Kern jedenfalls zu. Wenn dann auch die Regierungsarbeit gut oder besser klappt, als das in der Vergangenheit der Fall war, dann würden davon in erster Linie der Kanzler und seine Partei profitieren, nicht der Juniorpartner, so die Überlegung in der Volkspartei.

Am falschen Fuß erwischen

Das Strache-Argument: Im Herbst könne man den FPÖ-Chef und den dann wahrscheinlichen Bundespräsidenten Norbert Hofer noch am falschen Fuß erwischen. Je länger man den beiden Zeit gebe, desto eher können sich die Freiheitlichen als moderate und wählbare Alternative zur Regierung präsentieren.

Hofer würde seine Rolle als freundlicher und moderierender Bundespräsident anlegen, vor dem man keine Angst haben müsse, wie das im Vorfeld der Wahl suggeriert worden war. Er würde bewusst keine Hardlinerpolitik machen, so die Einschätzung aus der ÖVP, sondern sachlich und unpolemisch agieren.

Schaden gering halten

Je länger man Hofer Zeit gebe, umso leichter könne er einen Bundeskanzler Strache vorbereiten. Daher wäre es besser, bereits im Herbst 2016 wählen zu lassen, damit könne man den Schaden einigermaßen gering halten. Themen, um die Koalition platzen zu lassen, seien rasch bei der Hand: Flüchtlingspolitik, Mindestsicherung, Wirtschaftsstandort.

Eine Mehrheit findet diese Position in der ÖVP derzeit aber keine. Parteichef Reinhold Mitterlehner strebt den regulären Wahltermin 2018 an, mit ihm tun das einige Landeschefs, die mehr oder weniger eindringlich vor dem Debakel, das vorgezogene Neuwahlen auslösen könnten, warnen.

Inhaltliche Vorgaben

Die größere Fraktion in der Partei drängt derzeit darauf, zu einer neuen Zusammenarbeit mit der SPÖ zu finden und die Schärfung der schwarzen Handschrift durch inhaltliche Vorgaben an den Koalitionspartner zu erreichen. Wenn man die SPÖ leben lässt, könnte auch die die ÖVP leben lassen. Dazu gehört, dass man in der Flüchtlingspolitik eine gemeinsame Linie findet, die beide Seiten vertreten können. Das wäre ein moderater Kurs, bei dem man viel Augenmerk auf die Integration bereits hier lebender Flüchtlinge legt, zugleich aber streng gegenüber jenen ist, die sich nicht an die Regeln halten oder sogar straffällig geworden sind.

Verärgerter Wirtschaftsflügel

Wesentlich für die Volkspartei sind auch strukturelle Maßnahmen, mit denen man den Wirtschaftsstandort Österreich belebt, inklusive einem Bürokratieabbau. Da liegen SPÖ und ÖVP ohnedies nicht so weit auseinander, das sei nur eine Frage des Willens und der Umsetzung. Entscheidung für die ÖVP ist auch die Aussöhnung mit dem Wirtschaftsflügel in der Partei, der zuletzt schwer vernachlässigt worden sei. Das könne einerseits über den bereits erwähnten Bürokratieabbau erfolgen, andererseits müsste man wohl beim Streitthema Registrierkassenpflicht eine Lösung finden.

Der kommende Mann in der Partei, Außenminister Sebastian Kurz, sei für alles zu haben, hört man, nur nicht fürs Weiterwursteln wie bisher.

Auch diese Fraktion gibt es: Weitermachen wie bisher. Diesen Kurs vertreten vor allem jene Landeschefs, die ihren Erfolg insgeheim in der Opposition zur Bundesregierung sehen. Diese Bruchstelle bleibt jedenfalls bestehen. (Michael Völker, 16.5.2016)