Die internationale Gemeinschaft steht bei ihrem Bemühen, Libyen zu stabilisieren, vor einem unauflösbaren Dilemma. Es ist genau das gleiche, das bereits im Jahr 2011 zu Entscheidungen geführt hat, die den USA und den Europäern fünf Jahre später als Versäumnisse angekreidet werden. Nach dem Sturz Muammar al-Gaddafis zog sich die internationale Gemeinschaft relativ rasch zurück, um klarzumachen, dass das Management des politischen Übergangs eine rein libysche Angelegenheit ist. Die desaströsen Ergebnisse sind bekannt.

Bei der Kritik wird jedoch meist unterschlagen, dass der internationale Rückzug auf starken libyschen Wunsch hin erfolgte: Jeder Verdacht, dass die neue politische Elite vom Ausland gesteuert sei, sollte ausgeräumt werden. Heute ist die Ausgangslage sehr ähnlich: Die neue, von der Uno vermittelte Regierung muss jeden Eindruck vermeiden, dass sie als Trojanisches Pferd für eine ausländische Intervention dient. Ohne eine zumindest indirekte Intervention von außen wird jedoch der "Islamische Staat" (IS) nicht zurückgedrängt werden können.

Damit nicht genug: USA und EU drohen, um die Regierung zu stärken, jenen libyschen Akteuren, die sie nicht anerkennen, mit Bestrafung. Die erfreuen sich jedoch noch immer teilweise einer starken Legitimität: wie General Khalifa Haftar, der sich dem IS in den Weg stellt. Wie weit kann man ihn schwächen, ohne den IS zu stärken? (Gudrun Harrer, 16.5.2016)