Wien – Das Wiener Rathaus wurde am Freitagmittag von Journalisten belagert. Und nicht nur, weil Marcel Koller, der Trainer der österreichischen Fußballnationalmannschaft, von Bürgermeister Michael Häupl das Goldene Ehrenzeichen überreicht bekam. Unmittelbar danach trafen sich die Granden der SPÖ, um Christian Kern als neuen Kanzler und Parteichef fix zu machen. Länder, Klub, Jugend, Senioren und Frauen stimmten geschlossen für Kern.

Häupl berichtete von einer "sehr harmonischen und sehr einfachen" Sitzung: "Die Partei steht einhellig hinter dem künftigen Bundesparteivorsitzenden." Häupl bleibt übrigens bis zum Parteitag der SPÖ am 25. Juni geschäftsführend Chef der Sozialdemokraten und wird den designierten neuen Vorsitzenden Kern "begleiten".

Häupls Zurechtweisung

Eine Missstimmung zwischen ihm und dem künftigen Kanzler bestritt Häupl prophylaktisch. "Ich kann Ihnen schon jetzt versprechen, dass ich jeglichem Versuch, irgendeinen Widerspruch zwischen uns zu konstruieren, ausweichen werde. Also bemühen Sie sich erst gar nicht."

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Zu den Äußerungen von Gerhard Zeiler, der seine Kandidatur als Kanzler zurückgezogen und von einem langfristigen Plan zum Sturz von Werner Faymann berichtet hatte, sagte Häupl: "Ich halte das für ein ganz komisches Gerücht. Ich habe gestern in der Früh mit dem Herrn Zeiler – wie jeder weiß: Uraltfreund aus Ottakring von mir aus fernen Jugendtagen – gesprochen." Häupls Zusammenfassung: "Masterplan, alles ein Blödsinn. Verschwörungstheorien."

Während die SPÖ-Granden tagten, wurde Kern bereits bei Bundespräsident Heinz Fischer vorstellig. Außer einem Foto ist von dieser Unterredung wenig überliefert. Fischer: "Wir nutzten die Gelegenheit für ein persönliches und informatives Gespräch." Fix ist, dass Kern am Dienstag um 17 Uhr angelobt werden soll. Das Vorstellungsgespräch ist bereits erledigt.

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Team-Präsentation am Dienstag

Der Wiener Bürgermeister geht davon aus, dass die SPÖ ihre zuletzt eingeschlagene Linie in der Flüchtlingspolitik beibehält. Immerhin seien entsprechende Beschlüsse im Nationalrat gefallen und er "sehe zur Stunde nichts, was das ändern soll". Allerdings ist aus der ÖVP dazu zu vernehmen, dass es zwischen dem Team von Mitterlehner und den Gefolgsleuten von Kern Gespräche über eine Aktualisierung des Regierungsprogramms gebe.

In der SPÖ (und in den Medien) wird mit Inbrunst eine andere Frage ausgereizt: Wer wird was? Bis Montag, spätestens Dienstag soll Kern sein neues Team beisammenhaben, am Dienstagnachmittag will er dieses bereits präsentieren und ein erstes Statement abgeben.

Schlüsselpositionen neu besetzt

Die Personalspekulationen sorgen parteiintern für höchstes Interesse, geht es doch nicht nur um die Neubesetzung der Regierungsmannschaft, sondern auch um andere Schlüsselpositionen in der Partei und im Kanzleramt selbst. Wichtige Positionen sind etwa der Bundesgeschäftsführer, derzeit Gerhard Schmid, der Kommunikationschef, derzeit Matthias Euler-Rolle, oder der Job als Kabinettschef im Kanzleramt, das war unter Werner Faymann zuletzt Susanne Schnopfhagen-Metzger – bis hin zur Presseabteilung.

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Neben der Personalia wird aber auch ein anderes, gewichtigeres Thema in der SPÖ diskutiert: Wie lange wird das gehen? Viele Funktionäre haben Skepsis, ob die Koalition bis zum regulären Wahltermin 2018 durchhalten kann. Mit Argwohn hat man registriert, dass sich, just während die SPÖ ihr Spitzenpersonal neu sortiert, zwei ÖVP-Minister zur Arbeitsgruppe "Sicheres Österreich" zusammengefunden haben: Justizminister Wolfgang Brandstetter und Innenminister Wolfgang Sobotka haben auch gleich einen "Aktionsplan" präsentiert, der die Schubhaft ausweitet und Abschiebungen erleichtert – auch bei strafrechtlichen Verurteilungen in der ersten Instanz.

Das, so ist zu hören, werde mit der SPÖ nicht zu machen sein und sei als "bewusste Provokation" zu werten. Umso mehr, als dort das Gerücht kursiert, ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka, der als grundsätzlicher Gegner einer Koalition mit der SPÖ gilt, habe die Arbeitsgruppe der beiden Minister "eingefädelt". Es sei gut möglich, heißt es, dass die Koalition an dieser Frage zerbreche – dann werde es Wahlen im September geben. In der SPÖ rechnet man damit, dass spätestens dann Sebastian Kurz die ÖVP übernehmen und in Neuwahlen führen könnte.

Angst vor einem Kanzler Strache

Demgegenüber stehen alle Meinungsumfragen. Die sehen die beiden Regierungsparteien bei etwa jeweils 22 Prozent, die FPÖ dagegen bei mehr als 30 Prozent. Selbst wenn der Bonus eines neuen Parteichefs zum Tragen käme, ist es unwahrscheinlich, dass dieser SPÖ oder ÖVP an die derzeitigen Werte der FPÖ herantragen könnte. Das hieße, dass es bei raschen Neuwahlen einen Kanzler Heinz-Christian Strache gäbe, wer auch immer dann den Juniorpartner macht.

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Häupl betonte am Freitag seine ablehnende Haltung gegenüber den Freiheitlichen, meinte aber auch, dass man sich den Realitäten widmen müsse, würden doch einzelne Teilorganisationen entgegen den Beschlüssen des Parteitags mit der FPÖ koalieren. Dass es in der SPÖ zwei Flügel gebe, bestritt Häupl: "Das hätten Sie gerne." Über Kern sagte er: "Sie brauchen sich keine Sorgen machen, er ist mit Sicherheit jemand, der Gräbchen oder vielleicht auch den einen oder anderen Graben überbrücken kann – oder gar zuschütten, was mir noch lieber wäre. Aber da stehen wir Schulter an Schulter." (Sebastian Fellner, Petra Stuiber, Michael Völker, 13.5.2016)