Der 73 Meter hohe Turm nahe der Wiener Innenstadt soll nicht kommen. Vizebürgermeisterin Vassilakou will aber Veränderungen des Areals – und verordnet eine "Nachdenkpause".

Foto: IsayWeinfeld

Wien – Weil er 73 Meter in die Höhe ragen soll, stand der geplante Luxuswohnturm am Heumarkt nahe der Wiener Innenstadt seit seiner Präsentation 2014 in der Kritik. Ein Gebäude dieser Größenordnung in dieser Lage gefährde den Status des historischen Wiener Zentrums als Teil des Unesco-Weltkulturerbes und begünstige lediglich Investoren, befürchteten Anrainer, Architekten und zuletzt auch Parteikollegen der zuständigen Planungsstadträtin Maria Vassilakou.

Die Chefin der Wiener Grünen, die Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) bereits ihre Zustimmung zum Bau gegeben haben soll, wurde diese Woche von den Bezirksgruppen Innere Stadt und Landstraße gedrängt, das Projekt unter allen Umständen zu verhindern. Am Freitag gab Vassilakou bei einem Pressegespräch tatsächlich den vorläufigen Stopp des Vorhabens bekannt. "Die Stadt Wien wird das Flächenwidmungsverfahren zu dem vom Investor Wertinvest geplanten Umbau des Areals am Wiener Heumarkt in der vorliegenden Form nicht weiterführen", sagte Vassilakou. Sie empfehle "allen Seiten eine Nachdenkpause". Wertinvest-Vorstand Michael Tojner sei bereits informiert worden und habe die Einstellung zur Kenntnis genommen.

Vassilakou: "Kein Zufall, der vom Himmel fällt"

Dass sie die Planung unmittelbar nach der öffentlichen Kritik ihrer Bezirksverbände aufhält, ist laut Vassilakou ein terminlicher Zufall, "aber kein Zufall, der vom Himmel fällt". Kritische Meinungen würden natürlich gehört, und die Debatte habe sich eben in der jetzigen Planungsphase manifestiert – auch von Experten außerhalb der Partei. "Zurufe aus den eigenen Reihen können in einem solchen Fall aber nicht relevant sein", so Vassilakou. Wichtig sei der korrekte Verlauf des amtlichen Verfahrens.

Ausschlaggebend für den Zeitpunkt der Entscheidung sei vielmehr, "dass nun alle fachlichen Beurteilungen des Magistrats und des Fachbeirats für Stadtplanung und Stadtgestaltung vorliegen". Die Expertise wurde noch nicht veröffentlicht, doch Vassilakou versicherte, dass "starke Bedenken gegenüber dem Projekt ins Treffen geführt werden, was aus Sicht der Stadtplanung eine Weiterverfolgung der Flächenwidmung und etwaige Vorlage an den Gemeinderat des vorliegenden Projekts nicht möglich macht".

Verhandlungen waren in Endphase

Bemängelt worden seien unter anderem die Proportionalität, die Höhe der Gebäude, die Breite der Durchwegung und das Hereinragen der Eisfläche in den Straßenraum. Der Turm sollte neben dem Hotel Intercontinental auf dem Areal des Wiener Eislaufvereins errichtet werden, dessen Vertreter in den Verhandlungen mit Wertinvest zwar in der Endphase angelangt sind, die aber noch keine endgültige Entscheidung getroffen haben. Neben dem Fachbeirat habe außerdem eine strategische Umweltprüfung ergeben, dass der geplante Bau "deutlich negative Auswirkungen" auf das Stadtbild habe.

Die Gemeinde stehe weiterhin zur langfristigen Absicherung des Eislaufvereins und zum Hotel- und Kongressstandort Wien, sagte Vassilakou, doch brauche es bei der dringend notwendigen Neugestaltung dieses "hochsensiblen, aber wenig attraktiven Areals" einen breiten Konsens – im Sinne der Bevölkerung und unter den Fachexperten. Dieser Konsens sei derzeit nicht gegeben. Das Areal in der Nachbarschaft von Schubert- und Parkring nannte Vizebürgermeisterin Vassilakou ein "Herzstück unserer Stadt".

Vorgaben der Frau Vizebürgermeister

In einem ersten Statement sagte Wertinvest-Geschäftsführerin Daniela Enzi, sie könne derzeit nicht abschätzen, was der Stopp konkret für die Projektentwicklung bedeutet. "Wir werden nachdenken – so wie wir dies seit Planungsbeginn 2012 im intensiven Dialog mit allen tun, und ich erwarte die Vorgaben der Frau Vizebürgermeister, worüber und in welcher Richtung wir nachdenken sollen."

Wie lange die Nachdenkpause dauern wird, sei momentan nicht abzuschätzen, sagte Vassilakou, doch werde diese Sache "nicht innerhalb weniger Tage erledigt sein". Sie sei jedenfalls zuversichtlich, dass man zu einer tragfähigen Lösung finde, denn man habe mit Wertinvest schon bisher hochprofessionell zusammengearbeitet. (Michael Matzenberger, 13.5.2016)