Blumen am Anschlagsort am Tag nach einem Autobombenanschlag im Norden Bagdads.

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Kurdische Fans in Erbil präsentieren sich mit "Angry Birds"-Masken. Der Film hatte am Dienstag in der Hauptstadt der Kurdischen Region im Nordirak Premiere: rare unbeschwerte Momente in einem schwierigen Land in einer schwierigen Zeit.

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Bagdad/Wien – Vielleicht diente die Serie von Selbstmordattentaten, denen am Mittwoch in Bagdad bis zu hundert Menschen zum Opfer fielen, zumindest dazu, die politische Klasse wachzurütteln: Zum ersten Mal seit mehreren Wochen schienen sich am Donnerstag Möglichkeiten zur Beendigung der Regierungs- und Verfassungskrise im Irak aufzutun.

Zuvor waren die Befürchtungen gestiegen, dass die politischen Streitereien bald auch wieder auf der Straße ausgetragen werden könnten. Am 6. Juni beginnt der Fastenmonat Ramadan, der im Irak seit 2003 traditionell gewalttätig verläuft, besonders wenn er in den heißen Sommer fällt. Das politische Vakuum trifft den Irak zudem mitten im Krieg gegen den "Islamischen Staat" (IS), der sich, militärisch geschwächt, zunehmend auf Selbstmordattentate verlegt. Auch am Donnerstag starben wieder mindestens zwanzig Menschen bei IS-Anschlägen.

Noch am Dienstag war eine geplante Parlamentssitzung wieder nicht zustande gekommen, weil durch den Boykott zu vieler Abgeordneten das Quorum verfehlt wurde. Am Mittwoch konnte sich jedoch das Kabinett unter der Führung von Premier Haidar al-Abadi erstmals wieder zu einer Arbeitssitzung treffen, es kamen 13 von 22 Ministern. Fern blieben vor allem die Minister der Kurdenparteien und der Sadristen (der Bewegung von Muktada al-Sadr).

Aber bei den Kurden bahnt sich ein Schwenk an: Am Donnerstag sprach sich der Premierminister der Kurdischen Regionalregierung in Erbil, Nechirvan Barzani, dafür aus, dass die Kurden ihre parlamentarische Arbeit in Bagdad wieder aufnehmen. Wenn sie ins Parlament zurückkehren würden, wäre dieses wieder beschlussfähig.

Neuer Oppositionsblock

Die Kammer hat dramatische Wochen hinter sich: Zuerst hatte sich Mitte April die Mehrheit in ein Gegenparlament abgespalten, das Parlamentssprecher Salim al-Juburi abwählte, aber seinerseits die Beschlussstärke verlor, als mehrere Parteien wieder absprangen. Geblieben ist davon ein neuer Oppositionsblock, die "Reformfront", die beansprucht, stärker zu sein als die "Rechtsstaats"-Allianz, die den Premier stützt – und eventuell beanspruchen könnte, den Regierungschef zu stellen.

Hinter der "Reformfront" scheint Abadis Vorgänger als Premier, Nuri al-Maliki, zu stecken, hinter dem wiederum radikale Iran-nahe schiitische Milizen in die Politik drängen. Allerdings gehört der "Reformfront" paradoxerweise auch Malikis großer ideologischer Gegner an, der Säkulare Iyad Allawi, neben einzelnen Überläufern aus anderen Fraktionen. Ob der neue Block Zukunft hat, bleibt zu sehen.

Die kurdischen Parteien – zerstritten in Kurdistan, einig in Bagdad – hatten sich im April gegen Abadi gestellt, als dieser nach Massendemonstrationen von Anhängern des schiitischen Mullahs Sadr al-Muktada die Regierung zu einem Expertenkabinett umwandeln wollte. Die Kurden hätten zwar sogar das wichtige Ölministerium bekommen, aber eben mit einem nicht von ihnen vorgeschlagenen Minister. Als Abadi nach Protesten der Regierungsparteien zurückkrebste, ließ Sadr seine Demonstranten in die ehemalige Grüne Zone, das jetzige Regierungsviertel, marschieren und das Parlament stürmen.

"Iran raus" in Bagdad

Dabei wurde auch "Iran raus" gerufen: Sadr stilisiert sich als irakischer Nationalist. Berichte, dass Sadr daraufhin nach Teheran geflogen sei, um sich zu entschuldigen, wurden vom Iran dementiert.

Sicher ist hingegen, dass der Iran, aber auch die USA hinter den Kulissen versuchten, Druck auf ihre Verbündeten im Irak auszuüben, die politische Krise konstruktiv zu lösen. Die USA, die auch am Donnerstag wieder Luftangriffe gegen den IS flogen, fürchten um die Zukunft ihrer Militäroperation. Teheran ist auch deshalb besorgt, weil sich zuletzt vor allem innerschiitische Bruchlinien zeigten. Diese sind zwar nicht neu, aber die anderen – Schiiten gegen Sunniten, Kurden gegen Araber – haben sie meist in den Hintergrund gedrängt.

Aber auch alle anderen Probleme bleiben bestehen, etwa, welches politische Angebot die Regierung in Bagdad den arabischen Sunniten in den IS-Gebieten machen kann, um sie wieder an den Irak glauben zu lassen. In Kurdistan redet Präsident Massud Barzani weiter von einem – wenngleich nicht bindenden – Referendum im Herbst, in dem die Kurden über ihre Unabhängigkeitswünsche abstimmen können sollen. Das wiederum erhöht die Nervosität in gemischten Gebieten, die die Kurden für sich beanspruchen. (Gudrun Harrer, 13.5.2016)