Bild nicht mehr verfügbar.

Eine Ära geht zu Ende: Der Senat stimmte für die Suspendierung der brasilianischen Präsidentin Dilma Rousseff.

Foto: REUTERS/Ueslei Marcelino/File

In einer TV-Ansprache nach der Abstimmung gab Rousseff sich kämpferisch.

Foto: APA/AFP/EVARISTO

Bild nicht mehr verfügbar.

Ihre Gegner feiern die Entscheidung in der Hauptstadt Brasilia.

Foto: REUTERS/Paulo Whitaker
Grafik: APA

"Ich bin noch lange nicht müde, um mein Amt zu kämpfen", verkündete Dilma Rousseff bei ihrem vorerst letzten öffentlichen Auftritt als Präsidentin. "Ich bin es nur leid, von illoyalen Verrätern umgeben zu sein. Und Brasilien ist es auch." Herausfordernd und selbstbewusst präsentierte sie sich auch nach dem Votum zu ihrer Amtsenthebung am Donnerstag. "Wenn eine gewählte Präsidentin ohne ein Verbrechen begangen zu haben aus dem Amt gewählt wird, ist das ein Putsch", sagte sie in einer TV-Rede.

Die Entscheidung ignoriere, dass sie von über 54 Millionen Brasilianern gewählt worden sei. "Ich werde für etwas bestraft, was ich nicht begangen habe. Das ist ungerecht, illegal, brutal und verursacht Schaden." Sie gehe davon aus, dass die Brasilianer die Entscheidung so wenig akzeptieren würden wie sie selbst: "Ich werde niemals aufgeben zu kämpfen." Nach dem Abgeordnetenhaus hatte auch der Senat nach mehr als 20 Stunden Beratungen mit 55 Ja- zu 22 Nein-Stimmen für ihre Amtsenthebung gestimmt. Für zunächst maximal 180 Tage wird Rousseff suspendiert. In dieser Zeit übernimmt ihr ehemaliger Vize Michel Temer von der rechtsliberalen PMDB die Präsidentschaft. Es ist eine historische Niederlage: Mit Rousseff gehen auch 13 Jahre linksgerichtete Regierung in Brasilien zu Ende.

Fadenscheinige Gründe

Der Sturz der 68-Jährigen ist der vorläufige Höhepunkt in einem monatelangen Machtkampf. Brasilien hat ein bizarres politisches Spektakel mit verfassungsmäßig fragwürdigen Methoden erlebt. Rousseffs Amtsenthebung wird nicht mit Korruption, sondern mit Bilanztricks im Bundesbudget begründet. Allen ist klar, dass das ein fadenscheiniger Grund ist, um die glücklose Staatschefin abzulösen. "Wir müssen zugeben, dass wir politische und administrative Fehler gemacht haben", sagt Senator Jorge Viana von Rousseffs Arbeiterpartei PT. "Aber das hier ist ein Spiel mit gezinkten Karten." Nach der Abstimmung knallten bei der Opposition nicht nur die Sektkorken. Ein Feuerwerk erhellte minutenlang den Himmel über Brasilia. "Wir feiern heute unser Neujahr", jubelte der Abgeordnete Paulinho da Força.

Rousseffs Beliebtheitswerte sind im Keller, viele ehemalige Wähler machen sie für die schwere Wirtschaftskrise verantwortlich. Sie hoffen jetzt auf Temer, was genau er vorhat, ist allerdings unklar. Von umfangreichen Privatisierungen, Erleichterungen für Investoren und Kürzungen bei Sozialprogrammen ist die Rede. Der 75-Jährige ist Vorsitzender der PMDB, die als opportunistisch und machthungrig gilt. Erst vor wenigen Wochen hat die Partei das sinkende Regierungsschiff verlassen. Die Gewerkschaften haben bereits zu einem Generalstreik aufgerufen.

Auch wenn Brasiliens neuer Übergangspräsident eine Regierung der "nationalen Einheit" beschwört, findet hinter den Kulissen ein wilder Postenschacher statt. So mag es als cleverer Schachzug anmuten, dass ausgerechnet Henrique Meirelles, der unter Ex-Präsident Lula da Silva Zentralbankchef war, Finanzminister werden soll. Der Konservative José Serra, der zweimal als Präsidentschaftskandidat scheiterte, soll das Außenamt übernehmen. Brasiliens zwielichtiger Sojakönig Blairo Maggi macht sich Hoffnung auf das Agrarministerium und wechselte just am Tag von Rousseffs Amtsenthebung die Partei.

Ermittlungen gegen zahlreiche Kongressabgeordnete

Viele Parlamentarier hoffen, dass mit der neuen Regierung die Korruptionsermittlungen im Bestechungsskandal "Lava Jato" auf Eis gelegt werden. Laut Transparency International wird gegen etwa 60 Prozent der Kongressabgeordneten wegen Bestechung ermittelt. Einige Würdenträger wurden schon entmachtet – weitere könnten folgen.

Die Opposition hat sich mit Rousseffs Amtsenthebung an die Macht manövriert, ohne dass sie bei Wahlen antreten musste. Einige prominente Oppositionspolitiker wollen deshalb auch nicht Teil der Übergangsregierung sein. Dabei könnte nicht einmal Temer bei Wahlen antreten. Er wurde von einem Gericht wegen Betrugs bei der Wahlkampffinanzierung für acht Jahre für unwählbar erklärt. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ibope sehen zudem nur acht Prozent der Brasilianer in der neuen Übergangsregierung die beste Lösung für das Land. 62 Prozent der Befragten sprechen sich für Neuwahlen aus. Temer, so viel steht fest, wird aber keinen Versuch in diese Richtung unternehmen.

Ihren Abschied aus dem Regierungspalast Planalto hat Rousseff mit viel Symbolik geplant. Alles soll nach einem vorübergehenden Auszug aussehen. Bei dem fünf Kilometer langen Marsch hin zu ihrer Privatresidenz, dem Alvorada-Palast, wird sie von Weggefährten und Vertretern der sozialen Bewegungen begleitet. (Susann Kreutzmann aus São Paulo, 12.5.2016)