September 2015: Flüchtlinge versuchen im ungarischen Györ, Platz in einem Zug in Richtung Österreich zu finden. Damals stoppte der Verwaltungsgerichtshof erstmals eine Dublin-Rückschiebung ins südöstliche Nachbarland.

AFP/VLADIMIR SIMICEK

Wien – Der ungarische Justizminister habe ihm versichert, dass sein Land für Flüchtlinge unbedenklich sei. Also bestünden für Zurückweisungen nach Ungarn keine Hinderungsgründe mehr. Mit diesen Aussagen in einem Standard-Interview hat der neue Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) den seit einem Verwaltungsgerichtshof-Erkenntnis im September 2015 praktizierten Rückschiebestopp aus Österreich in das südöstliche Nachbarland infrage gestellt.

Der Rückschiebestopp schützt Asylwerber, die im Rahmen eines Dublin-Verfahrens nach Ungarn zurückgebracht werden sollen. Im Fall einer Notverordnung, wie sie laut neuem Asylgesetz künftig möglich sein soll, sei die Situation völlig anders, hieß es am Mittwoch aus dem Innenministerium. An der Grenze könnten Flüchtlinge dann "problemlos" an der Einreise gehindert und nach Ungarn rückgewiesen werden. Das sei unrichtig, widersprach ein Sprecher des Verwaltungsgerichtshofs.

Schon im September 2015 hätten die heimischen Gerichte veraltete Länderberichte als Grundlage ihrer Ungarn-Entscheidungen verwendet. Seither sei den Maßstäben, anhand derer festgestellt wurde, dass Asylwerbern dort unmenschliche Behandlung drohe, nichts Neues hinzugefügt worden. Dazu komme, dass weder der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte noch der Europäische Gerichtshof Entscheidungen zu Rückschiebungen nach Ungarn gefällt haben.

Bis Februar 2016 habe der VwGH daher weitere vier Mal inhaltlich gleichlautend über Ungarnfälle entschieden: nach Maßstäben, die bei Rückweisung an der Grenze nach Inkrafttreten einer Notverordnung ebenso anzulegen seien. "Dazu muss ein Rückgewiesener aber Maßnahmenbeschwerde erheben."

Wehsely gegen Asylweber-Tätigkeit als "Strafe"

Weitere Interviewäußerungen Sobotkas sorgten ebenfalls für Kritik. Etwa seine Forderung, "Asylwerber sollten zu ihrer Grundversorgung einen Beitrag liefern" – etwa "in der Wienerwald oder der Flussuferpflege". "Gemeinnützige Tätigkeit als Art Strafe oder Sanktion zu sehen ist nicht der richtige Weg. Vielmehr geht es um die Förderung der Akzeptanz und das Verständnis untereinander", sagte die Wiener Sozialstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) dem STANDARD.

Ohne existenziellen Druck hingegen, so Wehsely, mache derlei Tätigkeit "absolut Sinn. So im Rahmen des "Projekts für gemeinnützige Tätigkeit von Asylwerbern der Stadt Wien", das rund 150 Asylwerbern seit November 2015 praktikumsähnliche Beschäftigung bei städtischen Magistratsabteilungen ermögliche.

Jobsuchenden erwachse keine Konkurrenz, betont ein Sprecher des Fonds Soziales Wien: "Die Asylwerber werden, etwa im Bauamt oder beim Umweltschutz, zum Beispiel zu Botendiensten herangezogen." (Irene Brickner, 11.5.2016)