Frau macht Politik, jedoch selten in Spitzenpositionen. Auch durch den derzeit vakanten Kanzlerjob wird sich das vermutlich nicht ändern – als Nachfolger sind bloß Männer im Gespräch.

Foto: Gert Eggenberger

Wien – Die SPÖ sucht einen neuen Parteivorsitzenden und Bundeskanzler. Das Gendern kann man sich bei diesem Satz – zumindest nach derzeitiger Faktenlage – getrost sparen. Die besten Chancen auf die beiden Posten haben wohl ÖBB-Chef Christian Kern und der Medienmanager Gerhard Zeiler. Neben ihrer Geburtsstadt (Wien), ihrer Vergangenheit als Sprecher eines roten Spitzenfunktionärs und langjähriger Managementerfahrung haben die beiden auch gemeinsam, dass sie Männer sind – so wie auch jeder rote Parteivorsitzende und österreichische Kanzler zuvor ein Mann war.

Doch kann es sich eine Partei, die sich selbst als Avantgarde in Sachen Frauenpolitik erachtet, erlauben, im Jahr 2016 nicht einmal namentlich eine Kandidatin ins Spiel zu bringen? Ein SPÖ-Bundesparteivorstandsmitglied formuliert es folgendermaßen: "Eine Frau hätte jetzt ohnehin keine Chancen mehr. Unsere Statuten sind völlig undemokratisch, die Entscheidung wird informell von einer Handvoll Männern gefällt. Und die feilen nicht erst seit Montag an einem Nachfolger für Faymann."

Keine Frau aufgebaut

Sieglinde Rosenberger, Politologin an der Universität Wien, sieht das ähnlich: "Was wir derzeit beobachten, ist nicht mehr als eine Widerspiegelung der patriarchalen Strukturen, die in der SPÖ etabliert sind", erklärt die Professorin. "Eine Partei, die sich seit den 1970er-Jahren für Frauen- und Geschlechterpolitik starkmacht, gelingt es nicht, eine Frau an der Spitze zu platzieren. Das ist ein großes Defizit." Auch Rosenberger kommt zu dem Schluss: "Das ist ein Ausdruck dessen, dass man in den vergangenen Jahren keine Frau für das Amt vorbereitet hat."

Doch es wurde nicht bloß keine Frau zur SPÖ-Chefin aufgebaut, auch andere rote Spitzenfunktionen sind fast ausschließlich mit Männern besetzt. "Derzeit sieht man wieder, von wem ein neuer Vorsitzender gemacht wird – von den Landesparteivorsitzenden und der Gewerkschaft", sagt Rosenberger zum STANDARD. Die roten Chefposten in den Ländern sind derzeit ausschließlich mit Männern besetzt, und die Gewerkschaft sei ohnehin eine "traditionell männerbündische Organisation", erläutert die Politologin.

In Positionen "geputscht"

"Durch unsere mit Männern besetzten Delegiertensysteme haben Frauen einfach wesentlich schlechtere Chancen. Im Grunde wurden Kern und Zeiler in die Positionen, in denen sie sich jetzt befinden, geputscht", sagt eine SPÖ-Frauenfunktionärin, die namentlich nicht genannt werden möchte. Julia Herr, die Vorsitzende der Sozialistischen Jugend (SJ), fordert deshalb im Sinne frauenfreundlicher Strukturen eine gesamte Organisationsreform: "Es geht da nicht nur um die Wahl des Vorsitzenden" , sagt sie.

Herr hält beispielsweise die Einführung eines Frauenreports für notwendig, in dem das "Frau-Mann-Verhältnis" auf allen Parteiebenen durchleuchtet werde. "Anhand dieser Bestandsaufnahme kann man dann auch realistische Ziele formulieren." Darüber hinaus wäre es ihrer Meinung nach sinnvoll, die Quoren, die notwendig sind, um einen Listenplatz zu bekommen, nach jeder Amtszeit zu erhöhen. "So könnte man Sesselkleber loswerden. Genügend junge, fähige Frauen, die nachrücken könnten, haben wir ja", ist Herr überzeugt.

Petition für Kanzlerin

Das unabhängige Frauennetzwerk EWMD (European Women's Management Developement) hat nun eine Petition mit dem Namen "Österreich braucht eine Bundeskanzlerin" gestartet. Für das Amt werden dort etwa Siemens-Managerin Brigitte Ederer, die ehemalige Nationalratsabgeordnete Sonja Ablinger und Kärntens Vize-Landeschefin Gaby Schaunig-Kandut vorgeschlagen. Die Frauenministerin und Bundesvorsitzende der SPÖ-Frauen, Gabriele Heinisch-Hosek, wollte sich zum Thema SPÖ und Frauen nicht äußern. (Katharina Mittelstaedt, 12.5.2016)