Wissenschafter untersuchen einen geöffneten Sedimentkern im Geolabor des Forschungsschiffs Heincke. Die Bohrproben helfen den Forschern dabei, die Hintergründe des globalen Kohlenstoffkreislaufs aufzudecken.

Foto: AWI/Thomas Ronge

Die Grafiken zeigen das vom Austausch abgeschottete Tiefenwasser während der Eiszeit (oben) und "die Ausgasung" des Ozeans zum Ende der Kaltzeit.

Grafik: AWI/Thomas Ronge

Bremerhaven – Wann immer sich in den vergangenen 800.000 Jahren das Klima abkühlte und eine Warmzeitphase einer Eiszeit Platz machte, verschwanden große Mengen von Kohlendioxid aus der Atmosphäre. Der CO2-Wert sank dann von 280 auf 180 ppm (parts per million). Was aus all dem Kohlendioxid geworden ist und durch welche Prozesse das Treibhausgas am Ende der Eiszeiten wieder in die Atmosphäre gelangte, war bisher unklar. Nun ist es einem internationale Forscherteam gelungen, einen dieser verlorenen Kohlendioxid-Speicher in 2.000 bis 4.300 Metern Tiefe im Südpazifik ausfindig zu machen.

Der südliche Pazifische Ozean gilt als eine der größten "Lüftungsklappen" der Weltmeere. Hier transportiert das weltumspannende Band der Meeresströmungen kohlenstoffreiches Wasser aus großer Tiefe für kurze Zeit an die Meeresoberfläche. Dort, wo Wasser und Luft aufeinander treffen, findet ein Gaskonzentrationsausgleich zwischen beiden statt. Das bedeutet meist, dass die kohlenstoffreichen Wassermassen das von ihnen gespeicherte Treibhausgas Kohlendioxid an die Atmosphäre abgeben und so zum Treibhauseffekt und zur Erwärmung der Erde beitragen.

Was aber passierte mit dieser Lüftungsklappe während der letzten Eiszeit und am Übergang zur heutigen Warmzeit? Und wo blieb im Falle einer fehlenden Entlüftung das ganze kohlenstoffreiche Wasser aus der Tiefe? Um Antworten auf diese Fragen zu finden, analysierte das Team aus Geologen, Geochemikern und Modellierern Sedimentkerne aus dem Südwestpazifik.

"Altes" Kohlendioxid

Die Probennahme in dieser Meeresregion hatte folgenden Grund: Die aus Eisbohrkernen bekannte atmosphärische Kohlendioxid-Kurve zeigt, dass zum Ende der letzten Eiszeit große Mengen "altes" Kohlendioxid in die Atmosphäre abgegeben wurden. Ein hohes Alter bedeutet, dass dieses Kohlendioxid aus einem Reservoir stammt, das über einen großen Zeitraum nicht im Kontakt zur Atmosphäre gestanden hat. Als wahrscheinlichstes Kohlenstoffversteck gilt deshalb aus klimahistorischer Perspektive das ozeanische Tiefenwasser. Dessen größter Anteil befindet sich im Pazifik und enthält rund 60 Mal mehr Kohlenstoff als die vorindustrielle Atmosphäre.

Die untersuchten Sedimentproben stammen aus Wassertiefen von 830 bis 4.300 Metern, reichen erdgeschichtlich bis zu 35000 Jahre zurück und enthielten die für die Klimarekonstruktionen so wichtigen Kalkschalen einzelliger, am Meeresboden lebender Foraminiferen. Die Kalkschalen liefern mithilfe der Radiokarbon (14C)-Datierungsmethode Informationen über das Alter jener Wassermasse, in der die Organismen lebten, bzw. über den Zeitraum, den diese Wassermasse nicht mehr im Austausch mit der Atmosphäre stand. "Je älter eine Wassermasse ist, desto mehr Kohlendioxid speichert sie, da ständig gebundener Kohlenstoff in Form von Tier- und Pflanzenresten von der Oberfläche in sie hinabrieselt", sagt Studienerstautor Thomas Ronge vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI).

Wenig Durchmischung im Südpazifik

Er und seine Kollegen konnten auf diese Weise herausfinden, dass das Wasser des Südlichen Ozeans vor rund 20.000 Jahren stark geschichtet war und sich die einzelnen Wassermassen kaum durchmischten. "Unsere Ergebnisse waren überraschend und wiesen darauf hin, dass der tiefe Südpazifik während dieser Kaltzeit nicht nur mit altem Kohlendioxid aus der Zersetzung von organischem Material, sondern auch durch Eruptionen submariner Vulkane angereichert wurde", so Ronge.

Aufgrund dieser neuen Klimadaten können die AWI-Forscher nun folgendes Bild vom eiszeitlichen Ozean vor 20.000 Jahren zeichnen. "Wir wissen aus anderen Studien, dass sich beim Wechsel von der Warmzeit zur Eiszeit vermutlich zunächst eine große Meereisdecke auf dem Südpolarmeer gebildet hat, welche die Lüftungsklappe des Ozeans schloss", erläutert Ronge. Gleichzeitig verlagerten sich die Westwinde Richtung Norden, sodass im Südozean der Auftrieb reduziert war und nur noch wenig Tiefenwasser an die Oberfläche gelangte.

Die tiefe Ozeanzirkulation verlangsamte sich sogar so stark, dass die schwere, salzhaltige Wassermasse unterhalb einer Tiefe von 2.000 Metern fast 3.000 Jahre ohne Kontakt zur Oberfläche war. "In dieser Zeit ist so viel gebundener Kohlenstoff in Form von Tier- und Algenresten von der stärker durchmischten Meeresoberfläche in die tiefe Wasserschicht herabgerieselt, dass wir sie in unserer Studie als jenen großen Kohlenstoffspeicher identifizieren konnten, nach dem wir so intensiv gesucht haben", sagt Ronge. (red, 15.5.2016)