Wien – Ayo A. ist 28 Jahre alt und arbeitet als Prostituierte am Straßenstrich in Wien-Floridsdorf. Wo sie Ende Oktober ein Freier nicht mehr aus seinem Auto aussteigen lassen und ihr Handy aus dem fahrenden Wagen geschmissen haben soll, als sie gerade mit der Polizei telefonierte.

Als Angeklagter sitzt Miroslav D. vor Richter Stefan Erdei. Und leugnet. "Nichts davon ist richtig!", beteuert er. "Die ist nie eingestiegen, ich kenne die Frau überhaupt nicht!" – "Sie hat sich aber Ihr Kennzeichen gemerkt und Sie auf Fotos identifiziert", hält ihm der Richter vor. "Waren Sie vielleicht einmal Kunde bei ihr? Ihre Gattin ist eh nicht hier", bietet Erdei an. D. bleibt dabei und kann sich nicht erklären, wie die Frau zu der Anschuldigung kommt.

Die als Zeugin bei ihrer Darstellung bleibt. Zunächst gibt es ein kleines Problem: Die Nigerianerin benötigt eine Englischdolmetscherin, aufgrund eines Missverständnisses ist aber nur die für den Angeklagten notwendige Serbischdolmetscherin anwesend. Mit dem Einverständnis der Beteiligten demonstriert also Erdei selbst seine durchaus soliden Fremdsprachenkenntnisse und übersetzt selbst.

20 Euro für Oralverkehr

"Ich bin auf der Brünner Straße gestanden, der Herr ist mit dem Auto stehen geblieben und hat gefragt, was Blasen kostet", sagt die Zeugin. "Ich habe gesagt, 20 Euro, er hat gesagt, okay, und ich bin eingestiegen." Er sei auf einen rund zwei Kilometer entfernten Parkplatz gefahren, dort soll er plötzlich mehr verlangt haben.

"Er wollte auch ficken, und ich habe gesagt: 'Na Schatzi, beides kostet 30 Euro'", erzählt A. dem Gericht. Sie ließ sich doch darauf ein: "Er hat Bitte gesagt, also habe ich die 20 Euro genommen." Seinen Wunsch, den Akt ungeschützt zu vollziehen, habe sie aber abgelehnt.

"Nachdem er gekommen ist, habe ich gesagt, er soll mich zurückfahren. Er fuhr aber einen anderen Weg, Richtung Autobahn." Sie habe ihn gebeten, stehen zu bleiben. "Das hat er nicht gemacht, er hat sogar bei einer roten Ampel die Kolonne überholt. Da habe ich Angst bekommen und 133 gewählt."

Handy aus fahrendem Auto geworfen

Sie habe mit einer Polizistin gesprochen, habe aber nicht sagen können, wo genau sie sich befand. "Dann hat er plötzlich das Handy genommen und aus dem Fenster geschmissen", schildert die Zeugin. Um ihn zu stoppen, griff sie ihm ins Lenkrad und zog die Handbremse, worauf er stehen blieb und sie flüchtete.

Sie ging zu Fuß zur Brünner Straße zurück und fand ihr Handy, das sie dem Richter zeigt. Etwas überraschend ist aber lediglich eine der beiden Sim-Karten defekt, wie sie sagt, Display und Gehäuse sind unbeschädigt.

"Am nächsten Tag habe ich wieder gearbeitet, und plötzlich habe ich das Auto und den Mann wiedererkannt. Er hat jemanden gesucht, ich hatte Angst, versteckte mich und rief (mit einem anderen Handy, Anm.) die Polizei." Gleichzeitig notierte die durchaus glaubwürdig wirkende Zeugin D.s Kennzeichen und rief ihm schließlich sogar zu, sie habe die Exekutive schon verständigt.

"Dann ist ein Polizeiwagen gekommen, ich bin hingelaufen, und die Polizisten haben mich gefragt, ob ich angerufen habe." Sie bejahte und erzählte ihre Geschichte.

Routinemäßige Kontrolle

Doch mit dem Auftritt der drei Polizisten wird der Prozess wirklich seltsam. Die schildern übereinstimmend, sie hätten in dieser Nacht eine routinemäßige Streife gemacht, um die Papiere der Prostituierten zu kontrollieren.

Sie überprüften auch A., danach habe sie plötzlich gesagt, sie habe Probleme mit einem Freier. "Es ging darum, dass der Verkehr ohne Kondom haben wollte und wütend wurde, da sie das nicht wollte. Da soll er ihr Handy auf den Boden geworfen haben, hat sie gesagt", erzählt einer der Beamten.

Die Verständigung sei zwar schwierig gewesen, alle drei stimmen aber überein, dass nie von einer Freiheitsberaubung die Rede war und der Vorfall laut A.s Angaben überdies nicht am Vortag, sondern schon drei Tage vorher passiert sein soll.

Nichts von Notruf gehört

"Für uns war es eine Sachbeschädigung. Wenn ich von so einer Geschichte hören würde, würde ich dem natürlich sofort nachgehen", beteuert der ranghöchste Uniformierte. "Was hätte ich davon, das nicht aufzuschreiben?" Es habe über Funk auch keinen Notruf gegeben.

Erdei konfrontiert die noch im Saal anwesende Zeugin mit diesen Aussagen. "Das ist eine Lüge, eine typische Lüge!", empört sie sich. Als der Richter sie auf die Gesetzeslage bezüglich Verleumdung hinweist, konzediert sie, dass es möglich sei, dass es auch eine Kontrolle der Papiere gegeben habe.

Wirklich problematisch ist allerdings, dass sich der Richter bei der Notrufzentrale erkundigt hat, ob zwischen 26. und 28. Oktober ein entsprechender, abrupt unterbrochener Anruf registriert worden ist. Was nicht der Fall ist. "Ich bin schockiert! Ich habe mit einer Polizistin gesprochen!", bleibt A. bei ihrer Darstellung.

Die Erdei aber nicht glaubt und den Angeklagten daher nicht rechtskräftig freispricht. (Michael Möseneder, 10.5.2016)