In Liaunigs Sammlung: Wolfgang Walkensteiners "OGU" (2012).

Foto: Museum Liaunig

Klagenfurt – Peter Baum, der künstlerische Berater des Südkärntner Museums Liaunig, gibt großmütig zu, dass der Titel der aktuellen Hauptausstellung, Augen-Blicke, nicht ganz neu ist. Aber zutreffend: Wer sich eineinhalb Stunden Zeit nimmt, um die 180 Werke von 64 Künstlern zu besichtigen, steht im Durchschnitt nicht einmal dreißig Sekunden vor jedem Bild, und das ist tatsächlich ein "Augenblick". Und wenn man den Titel andererseits auf die Vielfalt der Künstleraugen bezieht: So viele Augen-Blicke der zeitgenössischen österreichischen Kunst, zumal in einem Privatmuseum, sind eine kulturelle Demonstration ersten Ranges.

Dabei setzt sich diese Gala überwiegend aus dem zusammen, was der 70-jährige Kärntner Unternehmer und vielfach erprobte Sanierer (Funder, Jenbacher, Österreichische Schiffswerften AG, Austria Email AG) Herbert Liaunig seiner vor einem halben Jahrhundert begonnenen Kunstsammlung zuletzt an Neuerwerbungen hinzugefügt hat. In der 2008 vom Architekturbüro querkraft errichteten, schon 2012 unter Denkmalschutz gestellten und inzwischen unter- wie überirdisch beträchtlich weiterentwickelten Museumsanlage in Neuhaus/Suha gibt es seit Monatsbeginn auch sonst viel Neues.

Bauern-Schwitters und Koranabschrift

Im Seitentrakt werden etwa im Zweimonatstakt langjährige Freunde des Kunstsammlers mit eindrucksvollen Werkschauen geehrt. Aktuell, bis Ende Juni, ist es Drago J. Prelog (ihm folgt Hans Staudacher, dann Josef Mikl). Wer wissen will, aus welchem künstlerischen Antrieb der in Slowenien geborene und in der Steiermark aufgewachsene Prelog einst 15 Jahre lang Wiener Kunststudenten zu kalligrafischen Übungen angeleitet hat, erhält hier Aufschluss. Akribisch "schrieb" der Maler ab den späten 50er-Jahren seine Bilder in Zeilen auf die Leinwand. Das Ergebnis kann man als Nahaufnahme einer Vegetation sehen, Halm neben Halm, es hat aber auch die Anmutung eines Urtextes der Menschheit. Phänomenal ist (neben dem Bauern-Schwitters aus Zündholzschachteln) das Geschenk, das Prelog dem Sammler vergangene Weihnachten machte: Seine 1958 verfertigte "Abschrift" des Korans in minutiös ausgeführten Zeichen einer erfundenen Spiegelschrift.

Viel Anregung, viel Neues

In der Hauptschau Augen-Blicke zeigt sich etwas von der sehr persönlichen, dadurch kunsthistorisch nicht immer ganz logischen Ausrichtung einer Sammlung von privater Hand. Einen Karel Appel neben einen (wunderbaren) Wolfgang Hollegha zu hängen muss einem erst einmal einfallen. Aber es ist auch ganz erfrischend, wie hier mit einer Riesentempera von Turi Werkner eine kleine Verschiebung des eingeführten Kunstkanons vorgeschlagen wird. Oder wie ein Kleinmeister wie Franz Lerch auf einmal auf den 40 Jahre jüngeren Markus Lüpertz trifft und formal tatsächlich einen verblüffenden Diskurs eröffnet. Eine Ausstellung kann kaum anregender sein.

Zumal das noch nicht alles ist. Sehr magisch arrangiert zeigt Herbert Liaunigs jüngerer Sohn, der Architekt Peter Liaunig, in einem weiteren Raum seine seit 15 Jahren zusammengetragene Sammlung afrikanischer Glasperlen- und Muschelobjekte. Zu einem veritablen Skulpturenpark angewachsen ist indes das Gelände oberhalb des Museums. Dort kann man sich nicht nur an einem ganz meditativen Werk Osamu Nakajimas, sondern eigentlich in jedem Blickwinkel an einer anderen Skulptur eines namhaften Gegenwartskünstlers noch manche weitere ästhetische Energie zuführen.

Eine weitere Neuerung ist der geänderte Öffnungsmodus: Das Museum ist bis 30. Oktober jeweils von Mittwoch bis Sonntag zwischen 10 und 18 Uhr auch ohne Voranmeldung zugänglich. Für Interessierte gibt es täglich um 11 und um 14 Uhr eine Führung. (Michael Cerha, 9.5.2016)