Foto: Christian Hagenauer
Foto: Christian Hagenauer
Foto: Dreamhack/Engelmark
Foto: ESL/Kristiansson

Wenn die Bombe explodiert, freuen sich ein paar. Wenn sie entschärft wird, freut das oft die meisten. Wenn in der schwedischen Malmö-Arena an diesem Tag die Bombe hochgeht, sprüht Feuer von der Bühne, und es macht einen lauten Knall. Verletzt wird niemand. Ein paar Buben aus dem Publikum jubeln, es wirkt. Popcorn fällt auf den Boden. Auf dem Würfel an der Decke sind zehn Köpfe zu sehen, neben ihnen die Statistiken der Spieler.

DreamHack

Eigentlich spielen in der 15.000-Zuschauer-Arena die Malmö Redhawks Eishockey, manchmal singt Britney Spears, 2013 war sie Austragungsort des Eurovision Songcontest. Heute matchen sich die besten Counter-Strike-Teams der Welt. Computerspielen also.

Selbst der Tag vor dem Finale ist gut besucht. Das Dreamhack Masters ist eines der größten Turniere seiner Art. E-Sports ist längst aus den Kellern in die großen Hallen gezogen. Es gibt Profis, Sponsoren, Live-Übertragungen und das große Geld. In Malmö geht es um rund 220.000 Euro Preisgeld. Auf der Bühne sitzen zwei Teams mit fünf Spielern in Containern.

Das Drumherum steht klassischen Sportveranstaltungen um nichts nach.
Foto: Dreamhack/Sznajder

Ein Trainer gibt Anweisungen, rauft sich die Haare oder ballt die Faust. Gespielt wird Counterstrike Global Offensive, ein Ego-Shooter, bei dem Terroristen eine Bombe platzieren, und Polizeieinheiten sie entschärfen müssen. Das Spiel wird auf riesigen Leinwänden gezeigt. Live-Kommentar und Effekte dröhnen laut.

"Live ist es ein besseres Erlebnis."

In den Gängen wuseln die Fans. Es riecht süß nach Lakritze, Hamburgern und Schweiß auf Polyester. Trikots und Kappen der Spieler gibt es zu kaufen. Ein DJ spielt Rap-Hits, und Spiele-Hersteller lassen Games testen. In einer abgesperrten Bar trinken ältere Besucher und ein paar Eltern Bier. Das Publikum ist jung und männlich, die Stimmung hektisch. Lars (14) und Fredrik (15) spielen selbst leidenschaftlich: "Sonst können wir den Spielern nur online zusehen. Live ist es ein besseres Erlebnis." Sie tragen Shirts der schwedischen "Ninjas in Pyjamas". Spätestens in drei Jahren wollen sie auf der Bühne stehen und um Geld spielen.

Die größten E-Sports Turniere in Europe. Angeführt sind Preisgeld und das jeweilige Spiel. Das meiste Geld gibt es aber in den USA und Asien.

"In Österreich ist ein Event dieser Größenordnung derzeit nicht möglich" , sagt Stefan Baloh. Er ist Präsident des Österreichischen E-Sportsverbandes, jammern will er trotz der beschränkten Perspektiven nicht: "Das gesellschaftliche Interesse ist da. Neben dem Wettkampfaspekt ist das Drumherum zur Jugendkultur gewachsen."

Michael Bister ist verantwortlich für die ESL und sieht Gaming auf dem Vormarsch.
Foto: ESL/Kristiansson

Weltweit umfasst die Community etwa 134 Millionen Menschen. Auf professionellem Level gespielt wird neben Counter Strike vor allem Dota 2, League of Legends, Starcraft aber auch FIFA. Michael Bister, Chef von Pro Gaming Germany und verantwortlich für die größte E-Sports-Liga Deutschlands, geht weiter: "Ich würde von einer digitalen Kultur sprechen. Die Spieler sind jünger, aber im Publikum sind auch ältere, ehemalige Gamer dabei. Es ist ein Zuschauersport."

Ninjas und Sport

Wenn die "Ninjas in Pyjamas" die Bühne betreten, steht die Halle. Selbstgemalte Schilder werden in die Luft gehalten, es wird gegrölt. Im Semifinale treffen die Stars auf das zweite schwedische Team. Der Einmarsch könnte irgendwo zwischen dem Kolosseum und dem Madison Square Garden passieren. Die Stimmung ist euphorisch.

In den Logen können sich die Fans nicht mehr auf den Sitzen halten: "Hast du das gesehen? Lol." Kürzel und Akronyme beziehen sich auf virtuelle Chateingaben. Man versteht sich. Die Bombe explodiert, es zischt von der Bühne. Ein Spiel dauert im Schnitt rund 45 Minuten.

Emotionen wie bei einem Eishockey- oder Fußballspiel. Die Halle in Malmö kocht.
Foto: Dreamhack/Engelmark

Die "Ninjas" gewinnen das Semifinale und schlurfen von der Bühne. Sie wirken geschlaucht, ein Spieler wischt sich den Schweiß von der Stirn. Der Sport in E-Sports steht zur Diskussion. Immer wieder fällt Schach als Vergleich. "Wir sehen uns als Sport. Der Wettkampf steht im Vordergrund. Er unterliegt einem Regelwerk", sagt Bister.

"Wir sehen uns als Sport."

Die Strukturen würden sich dabei nicht von "Tennis oder Fußball" unterscheiden. Es gibt Trainer, Vereine, Manager, und Sponsoren. Selbst das Thema Doping ist im E-Sports-Bereich längst angekommen. Beim Counter Strike Turnier auf der ESL One in Köln wurden schon Dopingkontrollen durchgeführt. Vor allem konzentrationsfördernde Mittel wie Ritalin und Adderall sind beliebt.

Gabriel Toledo ist ein Star in der Szene. Als "FalleN" spielt er für das brasilianische Team "Luminosity Gaming".
Foto: Christian Hagenauer

Gabriel Toledo ist den meisten als "FalleN" bekannt. Der Brasilianer war mit seinem Team "Luminosity" schon vor dem Viertelfinale gescheitert, er hat die Enttäuschung überwunden. Der 24-Jährige ist locker, könnte auch Tennisspieler oder Wirtschaftsstudent sein. Der typische Gamer ist ein Relikt der 1990er-Jahre. Manchmal schaut er aufs Handy: "Ich muss das Finale für einen brasilianischen Streamingdienst kommentieren."

Toledo, seit 2009 Profi-Gamer, hat heuer das "Major" in Columbus und damit 440.000 Euro gewonnen. "Früher haben wir uns in Internetcafés getroffen und gespielt. In Brasilien genießt der Beruf immer mehr Ansehen."

Bescheidenheit und Konfetti

Allerdings würden viele der jungen Spieler Gefahr laufen, "abzuheben". Denn: "Bescheidenheit und Selbstkritik sind das Wichtigste für eine konstante Karriere." Ein typischer Tag für ihn bestehe aus "ungefähr zwei bis drei Stunden Training". Fans kommen und bitten ihn um Selfies und Autogramme: "Du bist der Beste."

Wenn die Spieler in die Halle einziehen, ist das ein Spektakel. Draußen kann das eigene Können unter Beweis gestellt werden.
Foto: Engelmark/Snajder/Ch.Hagenauer

Die Halle füllt sich wieder. Die Spieler ziehen ein. Vier Analytiker geben Prognosen ab. Es erinnert an amerikanisches Sportfernsehen. Wenn die "Ninjas in Pyjamas" das Finale gegen das ukrainische Team "Na'Vi" gewinnen, ist hier die Hölle los. Die Ukrainer werden als Favoriten gehandelt. Den Schweden ist das egal, sie gewinnen mit 2:0. Konfetti regnen von der Decke, die Moderatorin macht Interviews. Die Halle leert sich. Vor der Arena rauchen die Securitys. (Andreas Hagenauer, 10.5.2016)