Istanbul – Der in der Türkei zu fünf Jahren Haft verurteilte regierungskritische Journalist Erdem Gül hat von der deutschen Bundesregierung ein stärkeres Eintreten für die Pressefreiheit in seinem Land gefordert. "Wir erleben einen exorbitanten Abbau der europäischen Rechte", sagte Gül der Zeitung "Die Welt".

"Aber das, was von der Bundesregierung dazu zu hören ist, ist viel zurückhaltender als zum Beispiel die Stellungnahmen der amerikanischen Regierung."

"Sehr leise"

Gül sagte weiter: "Einerseits arbeitet insbesondere die deutsche Regierung beim Flüchtlingsthema mit der Türkei eng zusammen. Andererseits erhebt sie nur sehr leise ihre Stimme, wenn es um europäische Werte wie Meinungs- und Pressefreiheit geht." Gül ist Ankara-Büroleiter der Zeitung "Cumhuriyet" ("Republik"). Sein Chefredakteur Can Dündar erhielt in dem Verfahren fünf Jahre und zehn Monate Haft.

Das Gericht verurteilte Dündar und Gül wegen Veröffentlichung geheimer Dokumente. Gül sagte dagegen: "Wir wurden wegen Journalismus verurteilt." Ob er und Dündar ins Gefängnis müssten, werde sich nach dem Berufungsverfahren zeigen. Eine Flucht ins Ausland schloss Gül aus, obwohl das Gericht eine Ausreisesperre gegen ihn und Dündar gleichzeitig mit dem Urteil am Freitagabend aufgehoben hatte. "Daran habe ich nicht eine Sekunde gedacht. Wir tragen dafür Verantwortung, wie es mit Freiheit und Demokratie in diesem Land weitergeht." (APA, 7.5.2016)