Die fühlende Beinprothese ist bereits Realität.

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Eine Roboterhand als Beispiel für künstliche Intelligenz und eine menschliche Hand? Nicht ganz. "Echt" ist keine davon, die rechte ist die "Hand Gottes" aus Michelangelos Gemälde "Die Erschaffung Adams".

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Als der südafrikanische Läufer Oscar Pistorius im Sommer 2012 beim olympischen 400-Meter-Lauf in London in Position ging, galt das für viele als Zeitenwende: Pistorius hat keine Beine, sie waren ihm als Kleinkind amputiert worden. Nach Erfolgen bei paralympischen Wettbewerben wollte er auch bei den "regulären" Meisterschaften teilnehmen, in London schaffte er den 16. Platz.

Den Startplatz musste er sich vor Gericht erstreiten: Einige Wissenschafter hatten argumentiert, dass es Pistorius durch seine Hightech-Prothesen sogar leichter als reguläre Sportler habe, da die Prothesen besser als menschliche Beine federten. Pistorius sei kein Mensch mit Behinderung, sondern ein Sportler mit Zusatzhilfe.

Obwohl Pistorius des Mordes an seiner Freundin verdächtigt wird, gilt er für viele Fans nach wie vor als Vorbild, da er in ihren Augen die Grenzen seiner Behinderung überwunden hat.

"Smarte" Prothesen

Allerdings führt der Fall Pistorius zu anderen Fragen, die nicht nur den Sport betreffen: Wenn Menschen, die durch Unfälle Körperteile verloren haben, mit neuen, "smarten" Prothesen leistungsfähiger werden – wollen dann nicht auch Usain Bolt, Marcel Hirscher und Kollegen auf technische Erweiterungen des Körpers zurückgreifen?

Jene Gruppe, die das vorantreiben will, wird als "bionische Bewegung" bezeichnet. Ihre Vertreter plädieren dafür, Mensch und Technik zu verschmelzen. In Europa ist diese Community vor allem in Schweden stark ausgeprägt.

Der Verein "Bionyfiken" verfügt über hunderte Mitglieder. Sie lassen sich einen Chip unter die Haut implantieren, mit dem sie Türen öffnen oder an der Kassa bezahlen können. Die Gemeinschaft baut momentan einen eigenen Apartmentkomplex, der auf bionische Bewohner ausgerichtet ist.

Auch in Deutschland gibt es erste "Cyborg"-Vereine. Vorerst beschränken sich diese sich auf kleine Implantate, die durch drahtlose Kommunikation mit bestimmten Geräten interagieren können. Die späteren Möglichkeiten zum Körperumbau sind nahezu unbeschränkt.

Das hat natürlich auch das Militär mitbekommen. In den USA forschen Navy und Army an sogenannten Exoskeletten. Arbeiter werden darin zu Superman: Sie können hunderte Kilogramm stemmen oder in Windeseile eine Wand hinaufklettern. Soldaten könnten dann beispielsweise schwere Waffen transportieren, ohne auf Fahrzeuge angewiesen zu sein.

Auch alte Ideen wie Jetpacks, die Nutzer fliegen lassen, tauchen mittlerweile dank smarter Technologien wieder auf. Außerdem wird an Kontaktlinsen geforscht, die Benutzern Zusatzinformationen zur Verfügung stellen. Smarte Brillen sind dank Google bereits jetzt im Einsatz.

Smartphone-Cyborgs

Einige Wissenschafter argumentieren, dass der moderne Mensch auch durch diese nicht-fixen Erweiterungen im Grunde schon ein Cyborg sei: Das Smartphone, das ständig in Griffweite ist, kann als Ergänzung zu Körper und Geist gedacht werden. Etwa als Zusatzgehirn, in dem Erinnerungen organisiert werden.

Bei der bionischen Revolution lauern allerdings einige Gefahren: So ist unklar, wie der menschliche Körper auf technische Erweiterungen reagieren wird. Außerdem wird der Kontrolle natürlich Tür und Tor geöffnet: Wer einen Chip unter seiner Haut hat, kann tatsächlich nicht mehr durch das Netz der Überwacher schlüpfen.

Noch gewichtiger ist aber die Frage, ob sich Menschen durch Technik ein ewiges Leben verschaffen können – und ob das erstrebenswert ist. Bereits jetzt stehen Organe aus dem 3D-Drucker vor dem Einsatz in der medizinischen Praxis. Umgekehrt ist genauso denkbar, dass "nur" mehr das Gehirn übrig bleibt, während der Körper durch Technik ausgetauscht wird.

Der Wissenschafter und Google-Mitarbeiter Ray Kurzweil denkt etwa, dass bis 2030 eine Vielzahl kleiner "Nanobots" im menschlichen Körper herumschwirren werden. Sie könnten unsere Abwehrkräfte erweitern und sogar Krankheiten heilen. Damit wäre theoretisch das ewige Leben möglich, mit ungeheuren Implikationen. Auf die Frage der "New York Times", was das für Kurzweils Ehe bedeutet, antwortet dieser übrigens pragmatisch: "Ich denke vielleicht in Jahrzehnten, aber nicht darüber hinaus." (Fabian Schmid, 10.5.2016)