Istanbul – Der Prozess gegen die regierungskritischen Journalisten Can Dündar und Erdem Gül in der Türkei ist am Freitag in seine Schlussphase gegangen. Dündars Anwalt Bülent Utku sagte vor Beginn der Verhandlung in Istanbul, er rechne am Freitag eigentlich mit einem Freispruch. "Aber bei politischen Prozessen weiß man ja nie."

Dündar ist Chefredakteur der Zeitung "Cumhuriyet". Ihm und dem Hauptstadtkorrespondenten Gül wurden unter anderem Veröffentlichung geheimer Dokumente sowie versuchter Sturz der Regierung und Unterstützung einer Terrororganisation vorgeworfen.

Lebenslange Haft gefordert

Die Staatsanwaltschaft hatte ursprünglich lebenslange Haft für Dündar und Gül gefordert. Zuletzt hatte die Anklage beantragt, die Vorwürfe der Terrorunterstützung und des Putschversuches in einem gesonderten Verfahren zu behandeln. Für den angeblichen Geheimnisverrat forderte sie 25,5 Jahre Haft für Dündar und zehn Jahre Gefängnis für Gül.

Hintergrund der Anklage ist ein "Cumhuriyet"-Bericht über angebliche Waffenlieferungen der Türkei an Extremisten in Syrien aus dem vergangenen Jahr. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hatte Anzeige gegen Dündar und Gül erstattet. Sowohl Erdogan als auch der türkische Geheimdienst MIT wurden als Nebenkläger zugelassen.

Schlag gegen die Pressefreiheit

Die Anklage war international als Schlag gegen die Pressefreiheit in der Türkei gewertet worden. Der Prozess hatte unter großer öffentlicher Aufmerksamkeit am 25. März begonnen. Schon am ersten Verhandlungstag wurde die Öffentlichkeit ausgeschlossen, was zu scharfer Kritik führte.

Dündar und Gül verbrachten drei Monate in Untersuchungshaft, bevor das Verfassungsgericht Ende Februar ihre Freilassung anordnete. Erdogan hatte die Entscheidung des Obersten Gerichts mit den Worten kritisiert: "Ich sage es offen und klar, ich akzeptiere das nicht und füge mich der Entscheidung nicht, ich respektiere sie auch nicht." (APA, 6.5.2016)