In Österreich nicht denkbar, im angloamerikanischen Raum dank zweier Studien heiß diskutiert: Soll die "14-Tage-Regel" für Laborexperimente mit heranwachsenden Embryonen aufrechtbleiben?

Foto: Rockefeller University

Wien/Cambridge – Die Reaktionen auf ein Experiment mit menschlichen Embryonen fallen erwartet kontrovers aus: Wissenschafter der University of Cambridge und der Rockefeller University hatten die Entwicklung von Embryonen zwei Wochen lang detailliert in Kulturschalen im Labor beobachtet. Diese setzten sich im Alter von etwa einer Woche an einer künstlichen Substanz statt in der Gebärmutter fest und entwickelten sich weiter. In einer erstaunlichen Form der Selbstorganisation schlugen die Zellen unterschiedliche Entwicklungswege ein. Die Forschungsarbeiten, die in den Fachblättern "Nature" und "Nature Cell Biology" erschienen, werden als Durchbruch gewertet, denn bisher war wenig über dieses embryonale Frühstadium bekannt.

Wissenschaftlich hoch interessant findet Dieter Birnbacher, Vorsitzender der Zentralen Ethikkommission bei der deutschen Bundesärztekammer, die Experimente. Bisher sei es nicht möglich gewesen, die Vorgänge rund um die Einnistung des Embryos außerhalb des Mutterleibes zu untersuchen. "Wir sind aber dennoch meilenweit entfernt von der Vision einer Ektogenese, also dem Heranzüchten eines Kindes außerhalb des Mutterleibes", betonte Birnbacher.

Interessant seien die Ergebnisse auch aus ethisch-philosophischer Sicht. Sie untermauerten die auch dem deutschen Embryonenschutzgesetz zugrunde liegende Annahme, dass ein Embryo das Potenzial zur Selbstorganisation aus eigenen Ressourcen mitbringt.

"14-Tage-Regel" in Frage gestellt

In einem Kommentar zu den Studien fordern nichtbeteiligte US-Wissenschafter, die bisher in vielen Ländern praktizierte "14-Tage-Regel" auf den Prüfstand zu stellen. Nach dieser Regel dürfen Embryonen maximal 14 Tage außerhalb des mütterlichen Körpers im Labor heranwachsen. Die vorgestellten Untersuchungen befänden sich auf Kollisionskurs mit dieser Linie, schreiben die Kommentatoren in "Nature".

Da nun die Kultivierung menschlicher Embryonen über den 14. Tag hinaus greifbar erscheine, müsse die Regelung neu überdacht werden, um auch in Zukunft der Forschung und eventuellen moralischen Bedenken gerecht zu werden. Die Kommentatoren meinten, eine internationale Debatte zum Thema sei vor jedweder Gesetzesänderung dringend zu empfehlen. Die "14-Tage-Regel" gilt für Embryonenforscher in Ländern wie Australien, Kanada und den USA, aber auch in einigen europäischen Ländern wie Dänemark, Schweden oder Großbritannien.

In Österreich unmöglich

In Österreich wären solche Versuche gar nicht möglich. Paragraf 9 des österreichischen Fortpflanzungsmedizingesetzes besagt: "Entwicklungsfähige Zellen dürfen ... nicht für andere Zwecke als für medizinisch unterstützte Fortpflanzungen verwendet werden."

Kommentatoren von Wissenschaftsmagazinen stellen dazu fest: "Wieder einmal stellt sich die Frage: Wann beginnt das Leben?" In anderen Medien wird darüber diskutiert, was Wissenschaft gegenwärtig überhaupt darf und was nicht. (pi, APA, 5.5.2016)