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Aussichtsloses Warten – es sei denn, man vertraut sich Schleppern an: eine Frau im Lager Tabanovce.

Foto: EPA / Robert Atanasov

Tabanovce – Mustafa ist langweilig. Und das schon seit zwei Monaten. Der 28-Jährige aus Bagdad sitzt im Lager in Tabanovce an der Grenze zu Serbien mit 500 weiteren Flüchtlingen fest. Die meisten, die hier gestrandet sind, als die Balkanroute geschlossen wurde, sind mittlerweile "verschwunden".

Verschwinden tut man hier, indem man aus dem Lager hinaus- und einen der Lehmwege im Dorf entlanggeht, sich an den Militärs vorbeischleicht, die hinter Büschen versteckt sind, und dann ins Schmugglerdorf Lojane hinaufwandert. Der Ort ist dafür bekannt, dass man Waffen, Drogen oder eben Menschen von hier nach dort bringen kann.

Verstärkt gegen Schlepper

Lojane ist die Schleuse nach Serbien. Auf dem Dorfplatz stehen Männer neben ihren Autos und spielen mit den Schlüsseln in ihren Händen. Sie signalisieren, dass sie jederzeit ins Auto steigen können. Seit die mazedonische Polizei und das Militär verstärkt gegen Schlepper vorgehen, ist es für Migranten und Flüchtlinge sehr schwierig geworden, die Grenze zu passieren.

"Das geht nur mehr in der Nacht, und auch dann ist es sehr gefährlich", erzählt Mustafa. "Zurzeit kostet ein Schlepper hinüber nach Serbien 120 Euro", sagt er. Lojane liegt am Fuß eines bewaldeten Hügels, oberhalb des Dorfes endet der Weg unter einer Allee, dann folgt der Grenzschranken. Doch links hinauf gehen Waldwege, und man sieht die Spuren der Flüchtlinge: Plastiksackerln, Dosen, verbranntes Holz vom Feuermachen, Kleidung und Verpackungen von Schokoriegeln.

Erwischt und zurückgebracht

Hier sind schon viele entlanggegangen. Viele werden aber auch von den mazedonischen Sicherheitskräften erwischt. "Manchmal werden an einem Tag 50 Personen zurück ins Lager gebracht", erzählt Mustafa. "Das sind Leute, die beim illegalen Grenzübertritt festgenommen wurden."

Immer wieder wird in Tabanovce gefragt: "Geht die Grenze wieder auf?" Manche Flüchtlinge können noch immer nicht glauben, dass hier kein Weiterkommen ist. Das Lager in Tabanovce ist mittlerweile mit einem drei Meter hohen Stacheldrahtzaun umgeben, aber an manchen Stellen haben Insassen den Draht zerrissen, weil sie so rascher ins Dorf hinaufkommen, um etwas einzukaufen.

Insgesamt aber ist die Zahl jener, die in den weißen großen Zelten an den Bahngleisen ihre Zeit totschlagen, viel geringer geworden. Vor zwei Monaten waren es noch etwa 1.200 Menschen – vorwiegend Afghanen und Iraker. Offenbar setzt die Politik darauf, dass sich das Lager mit der Zeit von selbst auflöst. Andere Aussichten gibt es für die Gestrandeten nicht. Das Lager ist aber relativ gut ausgestattet. "Es gibt für alle genug zu essen, medizinische Versorgung und auch Duschen", sagt Mustafa, "aber man hält die Langeweile nicht aus."

Illegal nach Serbien

Das Interessanteste, was hier passiert, ist, wenn eine Schlange über die Bahngleise gekrochen kommt und die Leute sie einfangen und töten. Ein Problem für Mustafa sind auch die Flöhe – seine Unterarme sind total zerbissen. Was seine Pläne sind? "Ich werde es hinüber nach Serbien probieren, kommende Woche", sagt er und macht dabei eine schlängelnde Bewegung mit der Hand.

Die hier gestrandeten Menschen interessiert vor allem, wie es danach weitergeht. Wie viel Geld für die Schlepper in Serbien und in Ungarn notwendig ist. Ob die Grenze zwischen Ungarn und Österreich noch offen ist oder ob es bereits einen Zaun gibt. Ob sie es bis nach Österreich schaffen. (Adelheid Wölfl aus Tabanovce, 6.5.2016)