Berückte mit Mahlers Zweiter im Musikverein: Zubin Mehta.

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Wien – Sie ist eine der sechs Porträtkünstler des Wiener Konzerthauses in dieser Saison. Mit der Camerata Salzburg und den Wiener Symphonikern hat Hilary Hahn schon musiziert, im Juni folgen die Wiener Philharmoniker und Andrés Orozco-Estrada. Zwischen ihren Auftritten als Solistin war die gefeierte Geigerin in einem intimeren Rahmen zu erleben: bei einem Duoabend mit ihrem jungen Kammermusikpartner Cory Smythe am Klavier.

Mit Mozarts ungewöhnlicher G-Dur-Sonate K 373a wurde das Konzert im Großen Saal eröffnet. Der jazzgeschulte US-Amerikaner erwies sich als smarter Feingeist, auf watteweiche melodische Linien folgten wieselflinke, perlende Läufe. In Summe entstand ein kunstfertiger Rokoko-Mozart, der sich auch gut als Tischmusik eines intimen Soupers von Marie-Antoinette gemacht hätte.

Heilende Wirkung

Wohltuend dann Hahns Interpretation der dritten Solosonate Johann Sebastian Bachs: Der Höhepunkt der Fuga war von kämpferischem Stolz erfüllt, flink und feingliedrig die Läufe des Allegro assai. Mit ihren 36 Jahren ist Hahn eine abwechslungsreiche Gestalterin und eine abgeklärte Erzählerin. Wundervoll immer wieder, welch heilende Wirkung diese Bach-Solosonaten haben: Man fühlt sich wie gereinigt und wieder ganzgemacht, wenn man sie hört.

Nach der Pause setzte Hahn mit der ersten Partita von Antón García Abril ihr Solospiel fort: Das einsätzige, gut zehnminütige Werk des spanischen Komponisten war von rhapsodischem Charakter; virtuose, lyrische und tänzerische Schwerpunkte wechselten einander ab. Schlichtheit und Lebensfreude transportierten Hahn und Smythe dann mit Coplands Sonate für Violine und Klavier. Vier zeitgenössische Petitessen von Hahns Grammy-prämierter Zugaben-CD In 27 Pieces beschlossen den Abend kurzweilig.

Seltener Moment

Beifall für Hahn, Standing Ovations am Donnerstagvormittag im Wiener Musikverein für Dirigent Zubin Mehta. Bei Mahlers zweiter Symphonie bescherte er den Anwesenden mit den formidablen Wiener Philharmonikern Ausflüge in Regionen seltener Geglücktheit. Behutsam und abgeklärt modelliert Mehta einen interpretatorischen Raum von delikater Ausgewogenheit. Reichlich Platz für all die fiebrigen, poetischen und quasi katastrophischen Facetten bleibt dennoch.

Es herrscht Schönheit, allerdings eine, die nie unverbindliche Harmlosigkeit nach sich zieht. Mehta kostet schon im ersten Satz Ausdrucksextreme aus. Dabei jedoch ist intimer wie kolossaler Farbenreichtum zu erleben. Zusammen mit dem beeindruckend sensibel hauchenden Singverein und den profunden Solistinnen (Chen Reiss, Elisabeth Kulman) ergab das schlicht Unvergessliches. (end/toš, 6.5.2016)