Wohin geht die rote Reise? Am Montag fällt die Entscheidung.

Foto: Robert Newald

Wenn der SPÖ-Bundesparteivorstand am kommenden Montag zusammentritt, wird dort – da sind sich die meisten in der SPÖ einig – nichts weniger entschieden als die berufliche Zukunft des Parteivorsitzenden und Bundeskanzlers Werner Faymann. Die Messer sind gewetzt, könnte man sagen, beziehungsweise: Die Begründung, mit der die Vorverlegung des Parteitags von November auf die erste Juniwoche beantragt werden soll, ist bis auf einige Details fertig.

Der Text, der dem STANDARD vorliegt, hat es in sich: Darin heißt es einleitend, es gehe "um das Land und um die SPÖ", Faymann könne die FPÖ nicht verhindern – und nominiere die ÖVP bei der nächsten Wahl einen neuen Spitzenkandidaten, drohe der SPÖ sogar der dritte Platz.

Keine eigenen Konzepte

Die Kritik am Kanzler liest sich geharnischt: Faymann habe "in acht Jahren in keinen für die Menschen relevanten Bereichen wie Arbeit, Wohnen, Bildung, Gesundheit eigene Gedanken oder Konzepte entwickelt". Er habe auch keine langfristige politische Agenda gezeigt, eine Idee, wie er das Land gestalten wolle. Stattdessen habe er "den Niedergang der SPÖ begleitet, administriert, aber nichts unternommen, um den Niedergang aufzuhalten".

Die Arbeitsgruppen werden in dem Antrag als "Beschäftigungstherapie" bezeichnet, um "von eigener Konzeptlosigkeit und mangelnder Leadership abzulenken". Die Monate bis zum ordentlichen Parteitag im November nützten der SPÖ nichts, sie schadeten nur. Die Zeit reiche nicht aus, um "zu reparieren, was verabsäumt wurde", der politische Gegner könne die Zwischenzeit gut nützen, um sich für die nächsten Wahlen gut zu positionieren. Ein halbes Jahr (bis November) reiche auch nicht aus, um am öffentlichen Bild der Regierung etwas zu verändern, das erhöhe "die Frustration der Wähler, die die Bundespräsidentenwahl als Denkzettel verstanden haben und die sich in der Abkehr von SPÖ bestärkt fühlen".

Mehrheit dringend gesucht

Bleibt die Frage, ob der Antrag auf Vorverlegung des Parteitags – mit dieser Begründung – im Vorstand eine Mehrheit findet. Das könnte in dem 70-köpfigen Gremium schwierig werden. Es gibt aber noch einen zweiten Weg, laut Paragraf 37 des Parteistatus. Demnach können auch fünf Landesparteiorganisationen – gleich welcher Größe – einen außerordentlichen Parteitag beantragen. Tirol, Vorarlberg, Salzburg und die Steiermark gelten als genügend "angefressen", einen solchen Antrag zu unterstützen.

Das Burgenland gilt als unsicher, ebenso Kärnten. Dem Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser sollen des Kanzlers Getreue klargemacht haben, dass von seinem Verhalten abhänge, ob es bei der Heta eine für Kärnten günstige Einigung geben werde. Der Wiener Bürgermeister Michael Häupl soll die Meinung in den Bundesländern sondieren, Wien will "einem Mehrheitsbeschluss nicht im Wege stehen " – welcher auch immer das dann sein wird.

"Bearbeiten" der Länderchefs

Auf Kanzlerseite ist man dieser Tage nicht untätig. Es werde eifrig, mit manchen Landesparteivorsitzenden sogar mehrmals täglich, telefoniert, heißt es aus der Partei – was offiziell so natürlich niemand bestätigt. Besonders Kulturminister Josef Ostermayer, Nationalratspräsidentin Doris Bures, der ehemalige Wiener Landesparteisekretär Christian Deutsch, aber auch Faymann persönlich sollen die Länderfunktionäre "bearbeiten".

Die Einberufung eines außerordentlichen Parteitags, etwa im Juni, ist dabei ohnehin nur aus Sicht der Faymann-Kritiker die zweitbeste Lösung. Denn auf einem solchen kann, laut Statut, gar kein neuer Parteivorsitzender gewählt werden – dazu bedarf es eines ordentlichen Parteitags. Und dieser müsse dann wieder von einer Mehrheit einberufen werden.

Kern und Zeiler als Alternative

Aber nicht nur über die formalen Erfordernisse zur etwaigen Absägung Faymanns werden in der SPÖ diskutiert. Auch das künftige Verhältnis zur FPÖ steht zur Debatte, angestoßen von der Gewerkschaft, die freilich in dieser Frage auch keine einheitliche Linie hat. Detto in den Ländern – DER STANDARD berichtete. Wer auch immer Faymanns Nachfolger sein könnte – er wird eine klare Haltung dazu zeigen müssen.

Besonders auf zwei Kandidaten scheint sich die Debatte momentan zu fokussieren: ÖBB-Chef Christian Kern und der ehemalige ORF-General Gerhard Zeiler. Die beiden sollen, auch das ist unbestätigt, einen Nicht-Angriffspakt geschlossen haben. Wer immer in der Partei eine realistische Chance auf eine Mehrheit habe, werde vom jeweils anderen unterstützt.

Bleibt die "blaue" Frage: Kärntens SPÖ-Chef Peter Kaiser hat einen möglichen Ausweg aus dem roten Dilemma aufgezeigt, das den Spalt in der Partei überbrücken könne: Er hat vorgeschlagen, die SPÖ solle Koalitionsgrundsätze und inhaltliche Grundsätze festlegen, die für jede Art von Koalition unabdingbar wären – ähnlich, wie es derzeit die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) im Hinblick auf die rechtsextreme AfD versucht. (Petra Stuiber, 5.5.2016)