Leo Widrich (ganz rechts) und Stephanie Cox (vierte von rechts) stellten binnen weniger Monate die erste Messe für Geflüchtete auf die Beine. Am 29. Juni findet "Chancen:reich" im Wiener Museumsquartier statt, längerfristig können sie sich auch vorstellen, in die Bundesländer zu gehen.

Foto: Chancenreich

Am 29. Juni findet Österreichs erste Jobmesse für geflüchtete Menschen im Wiener Museumsquartier statt. In Zusammenarbeit mit rund 50 Unternehmen und Organisationen – darunter das Arbeitsmarktservice (AMS) Wien, die Wirtschaftsagentur Wien, Rewe, Spar, T-Mobile oder Ströck – hat der Verein Chance Integration die Messe ins Leben gerufen.

Nicht nur Messestände

Hinter dem Verein stecken Stephanie Cox und Leo Widrich. Letzten Winter kam den beiden, die sich aus der Start-up-Szene kennen, beim Aushelfen in einer Flüchtlingsunterkunft die Idee, selbst aktiv zu werden. "Zuerst wollten wir selber gründen und diese vielen motivierten Leute beschäftigen", sagt Cox. Geworden ist es nach Gesprächen mit Koordinatoren, Helfern und Unternehmen aber eine Jobmesse für Asylberechtigte. "Uns ist wichtig, dass dort wirklich etwas bewegt wird", sagt Cox. Deswegen gibt es nicht nur klassische Messestände, sondern es werden schon vorab offene Stellen mit entsprechend qualifizierten Flüchtlingen zusammengebracht und Interviews fixiert. Workshops wird es außerdem für Flüchtlinge (wie schreibt man einen Lebenslauf, wie funktioniert der österreichische Arbeitsmarkt, et cetera) wie auch für Unternehmen (wie geht man mit Geflüchteten im Unternehmen um, welche Unterstützungsformen gibt es, et cetera) geben. Im Social Corner finden die Teilnehmer außerdem Beratung von Job- bis Wohnungssuche.

Wo Arbeitskräfte fehlen

AMS-Wien-Chefin Petra Draxl hat sich vom Enthusiasmus der beiden jungen Initiatoren sofort anstecken lassen und war als erste Partnerin an Bord. "Wir unterstützen diese Messe, weil wir das Anliegen teilen, Unternehmen als Kooperationspartner zu gewinnen – schließlich sind sie es, die Jobs haben", sagte sie bei der einer Pressekonferenz am Mittwoch. Potenzial sieht sie in Wien vor allem im Tourismus- und Gastronomiebereich, aber auch in der Dienstleistungsbranche und bei Gesundheitsberufen. Zudem würden auch Fachkräfte in technischen Berufen fehlen.

Kein Sozialprojekt

Johannes Zimmerl, Direktor des Konzernpersonalwesens bei Rewe, und Spar-Geschäftsführer Alois Huber konnten von den bereits gemachten Erfahrungen mit Geflüchteten in ihren Betrieben erzählen. "Wir sehen unser Engagement nicht als Sozialprojekt, sondern durchaus den volkswirtschaftlichen Nutzen", sagte Zimmerl.

Auch Flüchtlinge meldeten sich bei der Präsentation der Messe zu Wort. "Auf Arabisch gibt es das Sprichwort 'Die Menschen können nicht nur von Brot leben', was übersetzt so viel bedeutet, dass Menschen, um glücklich zu sein, auch eine Beschäftigung brauchen", sagte Hussain Aleleoiy, ein geflüchteter Arzt aus Syrien. "Wir freuen uns sehr über die Messe, denn viele von uns tun sich schwer, Arbeit zu finden", sagt ein Rewe-Lehrling aus Sierra Leone, der vor drei Jahren nach Österreich kam. Durch Arbeit und die Kollegen dort würde es auch mit dem Deutsch schneller klappen, sind sich die beiden Geflüchteten einig.

Für Cox und Widrich ist das Ziel bis Ende Juni klar: Zusätzliche Unternehmen, vor allem Klein- und Mittelbetriebe, für eine Kooperation gewinnen. "Natürlich ist es uns auch ein Anliegen, dass es nicht bei einer einmaligen Aktion bleibt", sagt Widrich. Um nachhaltige Ergebnisse zu erreichen, werde das Engagement auch nach der Messe weitergehen.

Mehrere Initiativen

Die neue Messe ist dabei aber nur ein Beispiel für das Engagement großer Teile der Corporate World. Viele sind mit Ersthilfe an Bahnhöfen aufgefallen, aber auch danach begann die Auseinandersetzung: Was bedeuten die Flüchtlinge für den Arbeitsmarkt? Wie können wir als Unternehmen integrieren? Nun kommt viel Bewegung in diese Diskussionen. Unternehmen beginnen sich zu vernetzen, es werden Plattformen gestartet, die Flüchtlinge mit Arbeitgebern zusammenbringen möchten.

Ein Beispiel dafür ist eine neue Arbeitsgruppe: Vergangene Woche hat Respact, eine Plattform für nachhaltiges Wirtschaften, zur ersten "Businesses 4 Refugees"-Veranstaltung geladen. Ziel der Gruppe: Erfahrungsaustausch sowie Potenzial und mögliche Zusammenarbeiten aufzeigen. Vertreter von 15 Unternehmen und Sozialpartner diskutierten einen Abend lang über Engagement in Form von Zeitspenden (Corporate Volunteering), über Sach- und Geldspenden bis zur Lehrstellenvermittlung für junge Flüchtlinge, aber auch Probleme, Ängste und notwendige Schritte in den nächsten Wochen und Monaten. Vieles an getaner Hilfe ist fernab der Öffentlichkeit passiert – vor allem nachdem sich die öffentliche Meinung nach den ersten Wochen gedreht hatte und Hilfsleistungen von Unternehmen vor allem in den sozialen Netzwerken auf ein wütendes "Warum" vieler Kunden stießen. Ja, wir haben bewusst nicht kommuniziert, sagten einige Unternehmensvertreter.

Online-Jobbörse vor Start

Bei der Veranstaltung zu Gast waren auch die Initiatoren der Plattform Refugeeswork, einer Online-Jobplattform für Flüchtlinge. Asylberechtigte und Subsidiär Schutzberechtigte können sich hier auf von Unternehmen angebotene Jobs und Praktika bewerben. Neben jenen Menschen mit positivem Bescheid, gibt es aber auch für Asylwerber Angebote auf Refugeeswork: Aufgrund des eingeschränkten Zugangs zum Arbeitsmarkt für sie – ohne Beschäftigungsbewilligung darf keine Arbeit gegen Entgelt ausgeführt werden – will die Plattform auch Volontariate, Lehrstellen, Saisonarbeit und gemeinnützige Hilfstätigkeiten vermitteln.

Auch nach einem erfolgreichen Bewerbungsgespräch will die Plattform für die Unternehmen da sein: Alle notwendigen staatlichen Formulare stehen zum Download bereit, außerdem werden Guides für behördliche Abläufe, Konzepte für die betriebliche Integration und Konzepte für Kommunikation und Sprache geboten. Interessierten Unternehmen soll, wo es nur geht, unter die Arme gegriffen werden. 1.500 Flüchtlinge und 180 Unternehmen seien bereits vorgemerkt, sagt Initiator Dominik Beron. "Start ist in wenigen Wochen, wenn alles fertigprogrammiert ist." (Lara Hagen, 4.5.2016)