Frederick Obermaier (re.) und Renata Avila bei einer Diskussion auf der Republica.

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In den nächsten Wochen werden weitere Recherchen mit Bezug auf die sogenannten Panama Papers veröffentlicht, kündigte Frederik Obermaier von der "Süddeutschen Zeitung" bei der Internetkonferenz Republica in Berlin an. "Die Arbeit geht weiter. Wir graben noch tiefer." Es werden aber nicht mehr an einem bestimmten Tag Artikel gleichzeitig in mehreren Medien publiziert. Es habe nur einen akkordierten Starttermin gegeben, jetzt gebe es keine weiteren Abkommen mehr, wie man die Berichterstattung zu koordinieren habe. Obermaier zeigte sich über das Ausmaß der Reaktionen auf die Veröffentlichung der Geschäftspraktiken in Steueroasen und die Steuersparmodelle durch Offshoregesellschaften überrascht.

Quellenschutz hat Priorität

Der Rechercheverbund ICIJ bereitet laut Obermaier eine Datenbank vor, um Informationen aus den Panama Papers auch bisher nicht beteiligten Medien zur Verfügung zu stellen. Oberste Priorität habe aber, die Quelle nicht zu gefährden. "Das wäre eine Katastrophe, wenn wir Informationen veröffentlichen, und sei es auch nur unabsichtlich, die anderen Schaden zufügen. Der Schutz der Quelle hat Vorrang", sagte Obermaier. Bereits im Vorfeld der Veröffentlichung habe man mit dutzenden IT-Experten gesprochen, die sagten: Wir können nicht hundertprozentig garantieren, dass nicht irgendwo Hinweise auf die Quelle enthalten seien. Deshalb müsse weiter alles Mögliche getan werden, um das Risiko gering zu halten. "Es gibt zu viele Whistleblower, die im Gefängnis sitzen."

Die auf Menschenrecht spezialisierte Rechtsanwältin Renata Avila forderte juristischen und institutionellen Schutz für Aufdecker. Auch Medien würden immer stärker unter Druck geraten, wenn sie vormals geheime Informationen publizierten. Deshalb seien auch Enthüllungsplattformen wie Wikileaks wichtig. Obermaier sieht die Konkurrenz durchaus positiv. Vor zehn Jahren habe es nur Wikileaks gegeben, inzwischen hätten die Medien ihre Lektionen gelernt, und Whistleblower könnten auswählen, zu wem sie gehen. Auch NGOs seien Ansprechpartner, sagte Obermaier mit Bezug auf die TTIP-Dokumente, die Greenpeace in dieser Woche veröffentlicht hatte.

"Zeigen, was wir für relevant halten"

Um die Frage, was man veröffentlichen könne, ging es auch bei einer anderen Diskussion auf der Republica. Der Chefredakteur von Bild Online, Julian Reichelt, verteidigte die Veröffentlichung von Fotos, die Giftgasopfer in Syrien, darunter Kinder, zeigten. "Es wäre eine Schande, wenn wir die Bilder nicht zeigten." Andreas Fischer von der deutschen Kommission zum Jugendschutz warf ihm vor, die Kinder sogar noch im Zoom zu zeigen: "Man kann den Babys in den Mund schauen!" Das sei eine klare Verletzung der Menschenwürde. Reichelts Replik: "Ich sehe die Verletzung der Menschenwürde durch Nachrichtenfotos eigentlich nicht."

Der Medienjurist Ino Augsberg warf ein: "Machen Sie es sich nicht zu einfach?" Warum zeige man dann nicht gleich ein Videofilmchen? Reichelt antwortete, dass er glaube, dass auch Videobeiträge dazu auf "Bild.de" veröffentlicht worden seien. "Das ist eine Abschreckungswaffe."

Der "Bild Online"-Chefredakteur führte dann aus, dass für ihn allein die journalistische Relevanz zähle, was gezeigt werde: "Relevant ist für mich, was zeigt, was ist." Es sei ihm auch "total wurscht, was Terroristen erreichen wollen, davon lasse ich mich nicht beeinflussen", sagte Reichelt und nahm auf gezeigte Bilder nach den Anschlägen von Paris Bezug.

Als aus dem Publikum Rufe nach Verantwortung laut wurden, antwortete Reichelt vom Podium aus: "Unsere Verantwortung ist, dass wir zeigen, was wir für relevant halten." (Alexandra Föderl-Schmid aus Berlin, 3. 5. 2016)