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Warenlager statt Filialen: Der Onlinehandel boomt. Hohe Investitionen und schmale Erträge schrecken Nachzügler ab.

Foto: AP/Jens Meyer

Wien – Österreichs ganzer Handel ist im Banne des Onlinegeschäfts. Der ganze Handel? Nein, eine von unbeugsamen Unternehmern bevölkerte Truppe an Händlern hört nicht auf, mit stationären Filialen Widerstand gegen den Verlust von Umsätzen ans Internet zu leisten.

Viele Betriebe mit Rang und Namen sind es nicht mehr, die einem eigenen Onlineshop entsagen. Zu hoch ist das Risiko, den Absprung in einen boomenden Markt zu verpassen. Und zu groß ist die Angst, über kurz oder lang unerlässliche Technologien zu verschlafen.

Doch Konzerne wie Hofer, Spar und Primark machen nach wie vor keine Anstalten, sich im Web weitere Standbeine aufzubauen. Bei Diskontern wie Kik und Tedi suchen Kunden den Bestellbutton im Netz ebenso vergeblich wie bei der Möbelgruppe Leiner. Kleider Bauer verkauft ausschließlich offline. Aber auch weit expansionsfreudigere Textilketten mit jüngerem Zielpublikum wie Fussl sehen sich die Umbrüche im Handel lieber erste Reihe fußfrei an.

"Weil man muss"

"Es gibt wenige Firmen, die beides gut können", sagt Ernst Mayr, der gemeinsam mit seinem Bruder Karl die Modestraße Fussl führt, einer der letzten größeren Händler in Familienhand. Klar denke er über einen Webverkauf nach, sagt er. In zwei bis drei Jahren sei das Ganze sicher realistisch und auch technisch weniger aufwendig als zu Zeiten der Pioniere. Aber wirklich abgehen würde es ihm bisher nicht. "Ich frage alle, die online verkaufen: Verdient's was damit? Die Antwort darauf ist stets nein. Und warum macht ihr's dann? Ja weil man es halt machen müsse."

Den vielzitierten großen Durchbruch des Internetgeschäfts sieht Mayr nicht. Er erinnert gern an Ex-Libro-Chef André Rettberg, der bereits vor Jahren das nahe Ende des stationären Einzelhandels propagierte. "Damals hatten wir 15 Filialen, heute sind es 150. Die meisten Betriebe wären froh, hätten sie unsere Performance." Fussl habe nicht vor, im Internet Geld zu verlieren und damit Jobs in Filialen zu gefährden. "Wenn wir es machen, dann muss es rentabel sein."

Spar verkauft im Web lediglich Wein und Elektroprodukte. Bei Lebensmitteln will die Gruppe anders als Rewe nicht zu den Ersten zählen. Zu viel Geld werde da aktuell investiert, zu wenig betriebswirtschaftlich sinnvolle Konzepte steckten dahinter, sagt Sprecherin Nicole Berkmann: Man beobachte daher erst einmal die Szenerie.

Das Gleiche gilt für Hofer: Wer Lebensmittel kaufe, wolle sie sehen, angreifen und riechen, lässt der Diskonter lapidar ausrichten. "Wir verfolgen deshalb die Entwicklungen auf nationaler und internationaler Ebene."

Als Zeichen der Schwäche will Stephan Mayer-Heinisch, Präsident des Handelsverbands, die Verweigerung des Onlinehandels nicht verstanden wissen. Hofer etwa sei Perfektionist. Mache man den Internetverkauf gut, sei jeder Zeitpunkt richtig. "Die Reise nach Rom führt manchmal über andere Wege." Viele Pioniere hätten aufgrund rasch wandelnder Technologien bereits zweimal investieren müssen. Dass andere lieber deren Erfahrung abwarteten oder online nur "kosten", sei eine berechtigte strategische Entscheidung.

Keine Goldgrube

Sicher keine Goldgrube tut sich im Web für Harddiscounter auf – allein aufgrund der Versandkosten und des logistischen Aufwands. Kik ist in Deutschland online vertreten, ob der Shop auf Österreich ausgeweitet wird, ist aber offen, denn der Konzern hat hierzulande kein Lager. Der Grund für die Zurückhaltung sei die schwierige Abwicklung, etwa bei Retouren, erklärt eine Sprecherin.

Ähnlich die Lage bei Tedi. Seit Mitte 2015 betreibt die Billigkette einen deutschen Webshop. Ein österreichisches Pendant dazu sei derzeit aber nicht geplant, heißt es auf Anfrage aus der Zentrale.

Das Ende des reinen stationären Zeitalters einläuten will hingegen Leiner: Gunnar George, Chef der Möbelkette, sieht klaren Nachholbedarf. Mitbewerber Lutz sei hier weit voraus, das müsse man, wie er meint, neidlos anerkennen.

Heimat für die Marke

Marcus Wild, Chef der SES, des Einkaufscenterkonzerns der Spar-Gruppe, rechnet damit, dass langfristig 90 Prozent der Händler das stationäre Geschäft mit dem Webverkauf verbinden. Er beobachtet jedoch, dass Ikonen des Onlinehandels zunehmend auch in reale Filialen investieren. "Viele Internet-Anbieter brauchen eine räumliche Heimat für ihre Marken, ein Mittel der Kommunikation." Ausschließlich auf den Online-Vertrieb beschränken könne sich nur, wer von nicht emotionalen Produkten lebe, von medizinischen Fachbüchern etwa.

Wild ist überzeugt davon, dass die Zahl der bisherigen stationären Shops in Summe weiter sinkt. In Deutschland seien in den vergangenen zehn Jahren allein in der Modebranche 20.000 Geschäfte geschlossen worden. Viele davon würden aber durch Monomarken ersetzt, die sich verstärkt mit eigenen Filialen versuchten. (Verena Kainrath, 6.5.2016)