Eine Frau versucht bei einer CDU-Kundgebung in Baden-Württemberg, die Aufmerksamkeit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel zu erlangen. Viele ehemalige CDU- und nunmehrige AfD-Wähler erklären, sie fühlen sich von Merkel nicht mehr vertreten.

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Über ihre politischen Gegner äußert sich die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel nur selten, lieber spricht sie über die Ziele ihrer eigenen Partei. Auch die AfD hat sie lange Zeit ignoriert. Doch jetzt, da diese schon einige große Erfolge bei Landtagswahlen hatte, in Umfragen bundesweit um die zehn Prozent liegt und ihr erstes Parteiprogramm (mit striktem Anti-Islam-Kurs) beschlossen hat, will Merkel offenbar nicht mehr länger schweigen.

Die Bild-Zeitung berichtet, sie habe in der CDU-Präsidiumssitzung sogar erstmals eine Kurskorrektur in Aussicht gestellt und erklärt, die Union müsse sich wieder verstärkt um konservative Wählerschichten bemühen. Nur so könnte man der AfD das Wasser abgraben.

Merkel selbst allerdings dementierte dies am Dienstag. Es gebe "keinerlei neue Strategie" im Umgang mit der AfD; jedoch "die Aufgabe, die noch entschiedener gemacht werden muss, aus uns heraus selbst darzustellen, was wir wollen, wohin wir gehen, welche Überzeugungen uns tragen", sagte sie beim Besuch des Französischen Gymnasiums in Berlin.

Der Einsatz für Europa sei "eine Strategie, die weiter gilt", erklärte sie. Man müsse Europa stärken, denn wenn die Europäer im 21. Jahrhundert ihre Ziele durchsetzen wollten, könnten sie dies nicht alleine tun. Die AfD hingegen will das Volk über einen Verbleib im Euro abstimmen lassen und das "undemokratische Konstrukt" EU zugunsten einer Freihandelszone auflösen.

Genug gute Argumente

Merkel betonte auch, sie finde, "dass wir genug gute Argumente haben, uns mit anderen Meinungen – auch denen der AfD – auseinanderzusetzen, und zwar ohne jeden Schaum vorm Mund und ohne Pauschalurteile."

CDU-Bundesvizechefin Julia Klöckner ist ganz auf Merkels Linie und erklärt: "Wir sollten nicht dazu übergehen, die AfD zu ignorieren oder zu beschimpfen. Wir müssen heikle Themen offen erklären und diskutieren, um so AfD-Wähler mit Argumenten zurückzuholen." CDU-Generalsekretär Peter Tauber allerdings kritisiert das am Wochenende beschlossene AfD-Programm als "reaktionär und autoritär".

In der CDU-Spitze wird auch betont, dass es auf keinen Fall Koalitionen mit der AfD geben werde. Doch in der Partei wollen nicht alle diesen Ausgrenzungskurs fahren. In einigen Bundesländern (Sachsen-Anhalt, Thüringen, Sachsen) können sich einzelne konservative Abgeordnete vorstellen, die Koalitionsmöglichkeit mit der AfD nicht außer Acht zu lassen – um die in Deutschland unbeliebten großen Koalitionen oder linke Mehrheiten zu verhindern.

Ihnen schwebt auch in der CDU eine Rückkehr zu konservativen Werten vor. Gerne zitiert wird aus dem Buch Konservativ des ehemaligen hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU), in dem dieser beklagt: "Die mangelnde programmatische Präsenz der Konservativen in der CDU macht ganze Gruppen unserer Bevölkerung praktisch mundtot."

Apropos mundtot: Satiriker Jan Böhmermann hat sich in der Zeit mit massiver Kritik an Merkel zu Wort gemeldet und erklärt, sie habe ihn nach seinem Schmähgedicht "filetiert, einem nervenkranken Despoten (Recep Tayyip Erdogan, Anm.) zum Tee serviert und einen deutschen Ai Weiwei aus mir gemacht". Ankara hat ein Strafverfahren gegen Böhmermann gefordert, Berlin hat dem stattgegeben. (Birgit Baumann aus Berlin, 4.5.2016)