Vermutlich hat noch nicht jeder von Cum-Cum-Geschäften gelernt. Wie so oft gibt es dabei Gewinner und Verlierer.

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Berlin – Mit rechtlich und moralisch hoch umstrittenen Steuersparmodellen haben deutsche und ausländische Investoren den deutschen Staat jahrelang um Steuereinnahmen in Milliardenhöhe gebracht. Nach Recherchen des Bayerischen Rundfunks, des "Handelsblatts" und der US-Stiftung "Pro Publica" war auch die Commerzbank dabei.

Die Commerzbank war in der Finanzkrise ins Trudeln geraten und von den deutschen Steuerzahlern mit 18,2 Milliarden Euro gerettet worden.

Im aktuellen Fall geht es um sogenannte Cum-Cum-Geschäfte. Daneben gab es auch andere Steuertricks wie Cum-Ex-Deals, die derzeit von einem Bundestags-Untersuchungsausschuss unter die Lupe genommen werden. Dreh- und Angelpunkt dieser und anderer Modelle zur Steuerumgehung ist der Dividendenstichtag bei Aktien, also der Termin der Hauptversammlung.

Ziel ist es, die Kapitalertragsteuer zu umgehen. Sie ist auch als Abgeltungsteuer bekannt und beträgt 25 Prozent. Die Steuer wird vor der Auszahlung der (Netto)-Dividende an die Aktionäre einbehalten und an den Fiskus abgeführt. Deutsche Banken können sich die bereits gezahlte Kapitalertragsteuer in der Regel zurückerstatten lassen, müssen am Jahresende aber ihre Gewinne versteuern. Ausländische Aktionäre wie Investmentfonds oder Banken haben dagegen nur einen teilweisen Rückerstattungsanspruch. Einzelheiten regeln die jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen mit ihrem Heimatland.

An dieser Stelle setzt der Cum-Cum-Trick an: Vor dem Dividendenstichtag verleiht der ausländische Investor seine Aktien an eine deutsche Bank. Dafür verlangt er eine Leihgebühr. Das deutsche Institut streicht die Dividende ein und lässt sich anschließend die Kapitalertragsteuer erstatten. Dann gibt es die Aktien an den ausländischen Großanleger zurück und zahlt die Leihgebühr. Weil diese etwas niedriger als die Dividende ist, macht die Bank einen Gewinn. Der Investor wiederum spart sich die Steuer.

Leihgebühren

Ein Beispiel: Der ausländische Fonds A verleiht ein Aktienpaket an die inländische Bank B. Die Leihgebühr, die B dafür an A zahlt, beträgt 90 Prozent der erwarteten Dividende. B streicht 100 Euro Dividende ein. Davon wurden 25 Prozent bereits als Steuer an den Fiskus abgeführt. B holt sich die Steuer wieder, gibt die Aktien an A zurück und zahlt die Gebühr an A. Das Ergebnis: Faktisch erhält A 90 Prozent der Dividende auf seine Aktien, B streicht den Rest ein.

Damit solche Geschäfte künftig nicht mehr möglich sind, hat die deutsche Bundesregierung einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht, der zurzeit im Bundestagsfinanzausschuss beraten wird. Er sieht vor, dass der Anspruch auf die Steuerrückerstattung nur dann besteht, wenn der Aktieninhaber die Papiere 45 Tage vor und nach dem Dividendenstichtag in seinem Besitz hat und ein Mindestmaß des wirtschaftlichen Risikos an den Aktien trägt. Auch andere Länder haben das Schlupfloch geschlossen, zum Beispiel die USA und Australien, an denen sich der deutsche Entwurf orientiert.

Bei diesem 2012 geschlossenen Gestaltungsmodell wurden Aktien mit (lateinisch: "cum") und ohne ("ex") Dividendenanspruch um den Stichtag herum in komplizierten Konstrukten zwischen mehreren Beteiligten verschoben. Im Ergebnis traten mindestens zwei Beteiligte gegenüber dem Fiskus als Eigentümer auf und ließen sich die Kapitalertragsteuer erstatten. Vergleichbar wäre das etwa mit dem absurden Fall, dass zwei geschiedene Eltern für dasselbe Kind volles Kindergeld beantragen und auch bekommen, weil das Amt nicht weiß, wo es lebt.

Der Untersuchungsausschuss geht der Frage nach, warum dieses Steuerschlupfloch fast ein Jahrzehnt lang offen war. Experten schätzen den Schaden auf mehr als zehn Milliarden Euro. (APA, 3.5.2016)