Mikl-Leitner in ihrem neuen Büro in St. Pölten: Der Andy-Warhol-Verschnitt des schwarzen Säulenheiligen Leopold Figl hinter der frisch angelobten Landesrätin ist die Leihgabe eines Kripobeamten.

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"Menschen, die zu uns kommen, kann man durchaus etwas abverlangen – und zwar sowohl in Deutsch- als auch in Wertekursen", sagt die Landesrätin, die auch für Wohnbau zuständig ist.

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Die Stellvertreterin des Landeshauptmanns Erwin Pröll plant Wohnungen "für die kleine Brieftasche".

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Sie ist zurück. Johanna Mikl-Leitner ist wieder im Landhaus in St. Pölten, diesmal als Stellvertreterin von Landeshauptmann Erwin Pröll (beide ÖVP). Im Interview mit dem STANDARD sagt sie, dass die Vergabe von Förderungen an Migranten künftig generell an deren Integrationsfortschritte geknüpft werden solle. Bei den Spekulationsgeschäften rund um die verkauften Wohnbaudarlehen sei "kein Euro verlorengegangen", sagt die neue Finanzlandesrätin.

STANDARD: Haben Sie in Niederösterreich schon den ersten Kreisverkehr eingeweiht oder Spatenstich gesetzt?

Mikl-Leitner: So etwas Ähnliches – und zwar heute in der Früh in Unterpurkersdorf. Da habe ich mit meinem Amtsvorgänger im Innenministerium, Karl Schlögl, jetzt Bürgermeister, die erste Park-and-ride-Anlage eröffnet. Das hat mir Spaß gemacht.

STANDARD: Offenbar sind Sie ganz froh, das Innenressort in Wien hinter sich gelassen zu haben?

Mikl-Leitner: Zugegeben, wegen der Migrationskrise waren die letzten fünf Jahre eine herausfordernde Zeit. Aber ich habe als Ministerin auch viele Steine aus dem Weg geräumt, etwa, dass Asylwerber nun auch in sichere Drittstaaten zurückgewiesen werden können.

STANDARD: Dennoch galten Sie in der Regierung wie in der Union als Bad Cop – hat Sie das gestört?

Mikl-Leitner: Mittlerweile gibt es ja viel Verständnis für das Vorgehen Österreichs, etwa für das Schließen der Westbalkanroute. Deutschland etwa profitiert davon sehr – in den letzten Monaten gab es dafür auch hunderte Dankesbriefe aus der deutschen Bevölkerung.

STANDARD: Vom bisherigen Finanzlandesrat und jetzigen Innenminister Wolfgang Sobotka haben Sie das Spekulationsproblem rund um die Wohnbaudarlehen geerbt, zu dem der Rechnungshof festgestellt hat, dass ein Schaden von einer Milliarde Euro entstanden ist. Haben Sie sich schon einen Überblick über die Bilanzen verschafft?

Mikl-Leitner: Wir sind auf einem sehr guten Weg, und den werden wir fortführen. Denn wir haben dem Landesbudget 2,86 Milliarden zugeführt. Kein einziger Euro ist also verlorengegangen, der Ertrag ist aber leider geringer ausgefallen als erwartet.

STANDARD: Die Wohnbaudarlehen waren aber acht Milliarden Euro wert. Verkauft wurde um 4,4 Milliarden, weil man von hohen Renditen ausging. Im Endeffekt wird es doch einen Verlust geben?

Mikl-Leitner: Die veräußerten Wohnbaudarlehen wurden im Rahmen internationaler Ausschreibung verwertet und hatten wegen der sehr langen Laufzeiten und der geringen Verzinsung den Marktwert, der eben erzielt wurde. Der Nominalbetrag betrug 6,4 Milliarden Euro. Das Stammkapital ist ja nicht weg, nur der Zuwachs ist geringer.

STANDARD: Was werden Sie dann in Niederösterreich als Erstes angehen?

Mikl-Leitner: Einer meiner Schwerpunkte wird sein, das Wohnen erschwinglich zu machen. Damit möglichst viele Menschen in ihren eigenen vier Wände leben können. Einerseits sollen vor allem für Familien Wohnungen für die kleine Brieftasche gebaut werden. Anderseits wollen wir welche zu einer Monatsmiete von 250 Euro anbieten. Das Budget dafür ist da – und bei den Verhandlungen sind wir auf der Zielgeraden.

STANDARD: Soll es dabei Auflagen für Migranten geben, wenn diese auch solche Wohnungen wollen?

Mikl-Leitner: Generell sollte in Zukunft überprüft werden, ob Integrationsfortschritte gegeben sind – und zwar bei der Vergabe von allen Förderungen. Denn Menschen, die zu uns kommen, kann man durchaus etwas abverlangen – und zwar sowohl in Deutsch- als auch in Wertekursen.

STANDARD: Soll das der Bund regeln – oder wollen Sie dafür ein eigenes Gesetz in Niederösterreich haben?

Mikl-Leitner: Das werden wir für Niederösterreich andenken.

STANDARD: Verträgt Österreich mehr als die zwei Minarette in Wien-Floridsdorf und in Telfs?

Mikl-Leitner: Darum geht es derzeit nicht, sondern vor allem um ein Miteinander und eine gemeinsame Wertorientierung.

STANDARD: Landeshauptmann Erwin Pröll hat muslimische Gebetstürme einst als "artfremd" bezeichnet. Teilen Sie seine Ansicht?

Mikl-Leitner: Ich möchte mich hier jetzt nicht an einer Bewertung von Diktionen beteiligen, die schon ewig zurückliegen.

STANDARD: Sowohl von Pröll als auch von Ihrem Nachfolger Sobotka heißt es, dass sie bei Differenzen sehr laut werden können. Wie gehen Sie damit um?

Mikl-Leitner: (lacht) Emotionen waren noch nie etwas Schlechtes. Ich kann auch laut werden, aber nur kurz.

STANDARD: Seit den schlechten Ergebnissen bei der Bundespräsidentenwahl zerfleischt sich der Koalitionspartner SPÖ. Ihr Mentor Pröll hat Kanzler Werner Faymann vorgeworfen, Regierungsarbeit zu verschleppen – ein übertriebener oder gerechtfertigter Vorwurf?

Mikl-Leitner: Ich hätte mir vom Kanzler in manchen Phasen auch mehr Durchsetzungskraft gewünscht. Dann hätte man meine Asyllinie schneller verfolgt und jetzt bei der Wahl ein anderes Ergebnis erzielen können.

STANDARD: Die ÖVP steht aber keinen Deut besser da. Hofburg-Kandidatin Irmgard Griss etwa hat mit dem Anprangern des rot-schwarzen Proporzes ein sehr gutes Wahlergebnis erzielt.

Mikl-Leitner: Bei den Postenvergaben geht es in erster Linie um Kompetenz, das war und ist unser oberstes Credo. Selbstverständlich darf aber eine Mitgliedschaft, egal wo, kein Nachteil für einen Bewerber sein.

STANDARD: Ihre Partei hat im letzten Jahrzehnt drei Obmänner verschlissen. Wie lange hält sich Reinhold Mitterlehner noch?

Mikl-Leitner: Noch länger, als Sie denken. Diese Frage sollten Sie eher jemandem von der SPÖ stellen. ÖVP-Obmann zu sein ist eine herausfordernde Aufgabe – und Reinhold Mitterlehner bewerkstelligt seine Aufgabe sehr gut.

STANDARD: Die ÖVP hat also bis jetzt gar nichts falsch gemacht?

Mikl-Leitner: Das war ganz klar eine Protestwahl. Die Menschen hätten sich eine schnellere Reaktion auf die Flüchtlingsfrage gewünscht seitens der gesamten Regierung.

STANDARD: Die Regierung vermittelt aber auch den Eindruck, wenig weiterzubringen – Stichwort Schule. Vielleicht haben viele Wähler mit ihrem Votum auch dagegen protestiert?

Mikl-Leitner: Bei zwei Parteien mit unterschiedlicher Ideologie muss auch diskutiert werden. Ich sehe das nicht als Streit, aber so wird es oft interpretiert. Demokratie verlangt aber Diskussion.

STANDARD: Wem geben Sie bei der Stichwahl Ihre Stimme?

Mikl-Leitner: Auch für mich gilt das Wahlgeheimnis. Ich werde hier sicherlich keine Empfehlung abgeben, denn die Menschen sind mündig genug, darüber zu entscheiden.

STANDARD: Wann übernehmen Sie den Landeshauptmann-Posten?

Mikl-Leitner: Ich stelle mich jetzt mit ganzer Kraft den Aufgaben, für die ich angelobt worden bin. (Lisa Kogelnik, Nina Weißensteiner, 3.5.2016)