Wien – Der Gründer und Geschäftsführer des deutschen Medien-Startups Merkurist, Manuel Conrad, gab am Montag am European Newspaper Congress in Wien Einblick in sein Geschäftsmodell. Für Aufsehen sorgte er mit der Ansage, den Journalisten variable Boni zu zahlen, je nachdem wie gut ein Artikel gelesen wird. Eine Expansion von Merkurist nach Österreich oder in die Schweiz hänge von der Finanzierung ab.

Merkurist setzt auf Lokaljournalismus im Internet. Eine Bezahlschranke lehnt Conrad dezidiert ab. Einnahmequelle Nummer eins seien lokale Kleinanzeigen, sagte Conrad am Rande des Zeitungskongresses zur APA. Für den Start in Wiesbaden im April 2016 und Frankfurt im Juli 2016 habe es eine Finanzierungsrunde gegeben. Es gebe auch Pläne und Konzepte für Österreich und die Schweiz, so Conrad. Dafür sei aber weiteres Risikokapital nötig, davon hänge auch der Zeithorizont ab.

Variable Gehaltsteile

Pro Stadt hat Merkurist vier angestellte Journalisten, neben einem Fixgehalt gibt es variable Gehaltsteile, die davon abhängen, ob die Texte bis zum Ende gelesen werden. "Jeder Journalist ist seines Glückes eigener Schmied" sagte Conrad in seinem Vortrag am Kongress. Er komme zwar aus einer Journalistenfamilie, sei aber gelernter Betriebswirt, so Conrad auf Fragen aus dem Publikum. Merkurist gilt in deutschen Fachkreisen als eines der "heißesten" Journalismus-Startups. Als erste Stadt ging im Juli 2015 Mainz online.

Das Erfolgsrezept sei, Lokaljournalismus digital und als Prozess zu denken. Merkurist habe dafür auch ein eigenes Redaktionssystem entwickelt, um die Leser in die Nachrichtenproduktion einzubinden. "Worüber wir berichten, hängt auch von dir ab", lautet der Slogan von Merkurist. Die Leser können Fragen stellen, die dann von Redakteuren "fundiert aufbereitet" werden. Das erklärte Ziel: So gut wie die lokale Zeitung zu sein.

Zauberwort Algorithmus

"Wir sammeln extrem viele Daten", erklärte Conrad. Ein Algorithmus entscheidet auch, welchem Nutzer welche Texte angezeigt werden. Das Zauberwort dabei lautet "Statistical Content Optimization", Titel und Bilder zu den Artikeln wählt letztlich ein Computer aus jeweils drei redaktionellen Vorschlägen aus, je nachdem welcher Titel und welches Bild bei den Lesern am besten ankommen.

Zuvor hat am Newspaper-Kongress der Zukunftsforscher Matthias Horx nach dem digitalen Sturm eine Renaissance der "Uridee des Printjournalimus" in Aussicht gestellt. Marco Koeder gab in einer Liveschaltung aus Tokio Einblick in die mobilen Internet-Nutzungsgewohnheiten in Asien und Japan. Und Alan O'Riordan, Journalist bei Storyful, ein Mediumunternehmen, das Fotos und Videos aus dem Internet auf Echtheit überprüft, sprach darüber, dass es bei neueren Kommunikationsmitteln wie WhatsApp und Snapchat schwieriger sei, Videos aufzuspüren als bei Twitter oder YouTube.

Europas beste Zeitungen des Jahres

Am Abend werden im Rahmen des European Newspaper Congress die Preise an "Europas Zeitungen des Jahres" verliehen. Die heurigen Gewinner stehen bereits fest: Bei den Lokalzeitungen konnte "Kvinnheringen" aus dem norwegischen Husnes überzeugen, zur Regionalzeitung des Jahres wurde "Ara" aus Barcelona in Spanien gekürt. Die Kategorie überregionale Zeitungen konnte "De Morgen" für sich entscheiden, der seinen Sitz in Brüssel (Belgien) hat. In der Kategorie Wochenzeitung wählten die Juroren "Expresso", das in der portugiesischen Hauptstadt Lissabon erscheint. Veranstaltet wird der Wettbewerb von Zeitungsdesigner Norbert Küpper in Kooperation mit den Fachmedien "Medium Magazin", "Der Österreichische Journalist" und "Schweizer Journalist".

Exzellente Preise

Neben den vier Hauptpreisen werden auch sogenannte "Awards of Excellence" vergeben. An österreichische Medien gingen dieses Mal insgesamt 26 Awards. So konnten sich etwa die "Salzburger Nachrichten" über neun Auszeichnungen freuen – unter anderem für eine Nachrichtenseite zum Thema Griechenland. Der "Kurier" verbuchte sieben Awards, beispielsweise lobte die internationale Jury das "Visual Storytelling" der Tageszeitung. Die "Kleine Zeitung" erhielt insgesamt fünf Auszeichnungen, darunter etwa eine für ihre Kinderzeitung. Ebenfalls geehrt: Das "WirtschaftsBlatt" mit zwei Awards, die "Presse" und die "Presse am Sonntag" mit jeweils einem Preis und "Printfleisch", das Magazin der Werbe Design Akademie, mit ebenfalls einer Auszeichnung. (APA, 2.5.2015)