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Der Abu-Ghraib-Folterskandal wurde zum Symbol für Menschenrechtsverstöße der USA. Während der Besetzung des Irak wurden Insassen des Gefängnisses vom US-Wachpersonal misshandelt, missbraucht und gefoltert. Der Skandal wurde 2006 aufgedeckt. Im Bild: Proteste einer Antikriegsinitiative vor dem Obersten Gerichtshof der USA.

Foto: Reuters/Downing

Nach dem Willen seiner Eltern sollte er Pfarrer werden, erzählt Eric Fair. Pastor in Bethlehem in Pennsylvania, einer Stadt, die einmal berühmt war, weil sich dort eines der größten Stahlwerke des Landes befand. Tatsächlich wurde er Soldat, Polizist, NSA-Analyst und schließlich Verhörspezialist. Als solcher landete er in Abu Ghraib, dem irakischen Gefängnis, das in die Schlagzeilen geriet, als beschämende Fotos dokumentierten, wie Häftlinge dort von ihren amerikanischen Aufpassern gequält wurden – Elektrodrähte an den Fingerkuppen, Kapuze überm Kopf, Hundeleine am Hals.

Hätte man ihm den Auftrag gegeben, jemanden der Wasserfolter zu unterziehen, er hätte es wohl ohne zu zögern getan, sagt Fair. Zumal er damals nicht wusste, was er heute wisse: dass die Auftraggeber in den Chefetagen ihre Hände später in Unschuld waschen, dass sie von "faulen Äpfeln" reden, die es in jedem Obstgarten gebe.

Zwölf Jahre mit den Dämonen des Iraks

Eric Fair hat einen Memoirenband geschrieben über seine Zeit im Irak. Er ist ins Politics & Prose gekommen, eine Buchhandlung in Washington, um es vorzustellen. Um zu erklären, warum er sich zwölf Jahre nach dem Skandal von Abu Ghraib an ein solches Buch setzte. Er habe versucht, die Dämonen des Irak loszuwerden, Dämonen, die ihn nachts nicht schlafen ließen. Außerdem wolle er einen Beitrag leisten, damit die Lehren von Abu Ghraib nicht so schnell in Vergessenheit geraten. Im Wahlkampf, beobachtet er, seien schon wieder Töne zu hören, die "einen glauben lassen, es werde alles schon wieder verdrängt". Gemeint ist Donald Trump, der erklärt hat, er würde im Kampf gegen den Terrorismus nicht nur die Wasserfolter zurückbringen, sondern "noch viel härtere Sachen als Waterboarding".

Fair geht 1995 zur Armee, belegt einen Arabischkurs und wird auf die Halbinsel Sinai geschickt, um in den Reihen einer Friedenstruppe die Grenze zwischen Ägypten und Israel zu überwachen. Nach fünf Jahren beim Militär wird er Polizeibeamter in Pennsylvania. 2002 diagnostizieren Ärzte eine Herzmuskelerkrankung, womit seine Polizistenlaufbahn beendet ist. Der Arabist heuert bei der NSA an, dort hört er, dass CACI International Leute sucht und sie fürstlich bezahlt. CACI International ist eine jener privaten Sicherheitsfirmen, die mit der Invasion im Irak eine Goldgrube entdecken. Anders als bei der Polizei verlangen sie dort kein Gesundheitszeugnis. Eric Fair zieht in den Krieg.

Systematische Folter

Kaum einer bei CACI sei wirklich kompetent gewesen, es habe Leute gegeben, die sich Analysten nannten und anfangs nicht einmal den Irak vom Iran zu unterscheiden wussten, erinnert er sich. Fair soll Gefangene verhören, Gefolgsleute Saddam Husseins. An einem Februartag des Jahres 2004 nimmt ihn ein CACI-Angestellter namens Steven Stefanowicz mit zur "hard site", in den Gebäudeflügel des Abu-Ghraib-Komplexes, in dem die angeblich gefährlichsten Häftlinge einsitzen. Noch weiß die Öffentlichkeit nichts von den Quälereien, es wird noch zwei Monate dauern, bis der Skandal publik wird.

"Überall nackte Männer", schildert der Autor. "Vor den Zellen nackte Männer, die man an Stühle gefesselt hat. Nackte Männer in einer Linie. Auf dem Boden liegt ein Mann, dem man befiehlt, sich auszuziehen. Als er sich weigert, packt ihn jemand an seiner Hose und schleift ihn über den Flur, bis auch er nackt ist." In einem Raum mit doppelter Tür wird ein Häftling mit ohrenbetäubender Musik beschallt. Fair rät Stefanowicz, die kalifornische Metal-Band System of a Down zu spielen: Deren Klänge machten einen irre. Auch daran versuche er sich nicht mehr zu erinnern, schreibt er.

Auch Fair folterte

Fair selber entgeht dem Dienst in der "hard site", aber auch er greift zu Foltermethoden. Er lässt Gefangene eine Stunde schlafen, weckt sie, zwingt sie, sich in eine Ecke zu stellen, lässt sie nach 15 Minuten weiterschlafen, weckt sie nach einer Stunde erneut. Schon wer das fünfmal durchmache, verliere jedes Gefühl für die Zeit. In Gesprächen mit Ferdinand Ibabao, einem Freund, der bald darauf bei einer Bombenexplosion ums Leben kommt, denkt er oft darüber nach, wie es wäre, einfach hinzuwerfen und nach Hause zu fliegen. Zugleich wollen beide beweisen, dass sie "aus dem richtigen Holz geschnitzt sind".

Wichtige Informationen habe man nie durch Folter erhalten, immer nur, wenn einer freiwillig kooperieren wollte, zieht Fair im Politics & Prose Bilanz. Dann blättert er in seinem Buch und zeigt Seiten, auf denen Zensoren des Geheimdiensts ganze Passagen mit schwarzen Balken bedeckten. Am Ende einer fast komplett geschwärzten Seite steht ein einsamer Satz, von dem Fair sagt, dass es ihn wundert, dass sie ihn stehen ließen: "Im Irak wird es für mich keine Erlösung geben." (Frank Herrmann aus Washington, 2.5.2016)