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Ein Plakat von TTIP-Unterstützern in Hannover.

Foto: REUTERS/Wolfgang Rattay

München/Wien – Bundeskanzler Werner Faymann sieht sich nach Veröffentlichungen geheimer Dokumente zu den Verhandlungen über das Handelsabkommen TTIP bestätigt. "Diesem Handelsabkommen kann derzeit sicher nicht zugestimmt werden", sagte der SPÖ-Chef, nachdem Greenpeace mehr als 200 Seiten zum Verhandlungsstand zwischen EU-Kommission und USA ins Netz gestellte hatte. Neben den schon länger kritisierten Schiedsgerichten will Faymann auch die "Aushöhlung unserer hart erkämpften Sozial-, Umwelt und Lebensmittelstandards nicht akzeptieren".

Die TTIP-Dokumente sollen zeigen, dass die US-Regierung Europa in den Verhandlungen deutlich stärker und weitreichender unter Druck setze als bisher bekannt. Demnach drohen die USA damit, Exporterleichterungen für die EU-Autoindustrie zu blockieren, um im Gegenzug zu erreichen, dass die EU mehr US-Agrarprodukte abnimmt. Gleichzeitig attackiere die US-Regierung das grundlegende Vorsorgeprinzip beim EU-Konsumentenschutz, der 500 Millionen Europäer derzeit vor Gentechnik und Hormonfleisch in Nahrungsmitteln bewahre, heißt es in einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung".

USA beharren auf privaten Schiedsgerichten

Die Dokumente offenbaren den Angaben zufolge zudem, dass sich die USA dem europäischen Wunsch verweigern, die umstrittenen privaten Schiedsgerichte für Konzernklagen durch ein öffentliches Modell zu ersetzen. Sie haben stattdessen einen eigenen Vorschlag gemacht, der bisher unbekannt war.

Greenpeace hat am Montag geheime Unterlagen zu den Verhandlungen veröffentlicht. Auf der Internetkonferenz Re:publica in Berlin präsentierte die Umweltschutzorganisation eine Analyse der Dokumente.

Deutschland pocht weiter auf Abkommen

Deutschland pocht weiterhin auf einen raschen Erfolg der Freihandelsgespräche. "Wir halten den zügigen Abschluss eines ehrgeizigen Abkommens für sehr wichtig", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag. Die EU-Kommission wies Vorwürfe zurück, TTIP könne den Umwelt- und Konsumenschutz aushöhlen. Das Schutzniveau für Konsumenten, Lebensmittel und Umwelt werde durch ein neues Handelsabkommen nicht sinken, versicherte Kommissarin Cecilia Malmström.

Kritik an Intransparenz

Laut Greenpeace handelt es sich um 13 Vertragskapitel, die rund die Hälfte des gesamten Abkommens darstellen. Sie zeigen demnach den Stand vor der am Freitag abgeschlossenen 13. Verhandlungsrunde. Mit der Veröffentlichung will Greenpeace den Bürgern einen ungefilterten Einblick in den Verhandlungsstand geben. Während die EU ihre Vorschläge veröffentlicht, beharren die USA bisher auf Geheimhaltung ihrer Positionen. TTIP-Gegner üben immer wieder scharfe Kritik an dieser Intransparenz.

"Damit können wir endlich beweisen, was bisher vor der Öffentlichkeit geheim gehalten wurde. Unsere schlimmsten Befürchtungen beim Handelspakt TTIP haben sich bestätigt", erklärte Alexander Egit, Geschäftsführer von Greenpeace in Österreich, am Sonntagabend in einer Aussendung. Das Freihandelsabkommen rüttle "an den Fundamenten des europäischen Umwelt- und Verbraucherschutzes".

Verhärtete Fronten

So wollten die USA Produktverbote zum Schutz der menschlichen Gesundheit nur zulassen, wenn diese wissenschaftlich belegt seien, berichteten "SZ", WDR und NDR. Die EU dagegen verbietet Produkte wie hormonbehandeltes Fleisch und gentechnisch veränderte Lebensmittel häufig schon vorsorglich bei Hinweisen auf Risiken. In den USA kommt es oft erst zu Verboten, wenn Menschen zu Schaden gekommen sind. Auch Klaus Müller vom deutschen Bundesverband der Verbraucherzentralen sagte der "SZ": "Es bestätigen sich in den Texten bisher so ziemlich alle unsere Befürchtungen bezogen auf das, was die US-Amerikaner bei TTIP in Bezug auf den Lebensmittelmarkt erreichen wollen."

Aus den Verhandlungstexten lässt sich den Medien zufolge ablesen, wie verhärtet die Fronten sind. An vielen Stellen führen die Unterlagen die Positionen der USA und der EU gesondert an, ohne dass gemeinsame Formulierungen gefunden worden wären. Seit 2013 verhandeln die EU und die USA über ein Freihandelsabkommen, das den Warenfluss zwischen den beiden Partnern vereinfachen und Arbeitsplätze schaffen soll. Gegen TTIP gab es vor allem in Österreich, Deutschland und Frankreich regelmäßig Proteste. Die Kritiker sehen durch TTIP Gefahren für Rechtsstaat und Demokratie und befürchten den Abbau europäischer Standards. (APA, 2.5.2016)