Studierende und Flüchtlinge haben eine Kinderecke gestaltet.

Foto: Displaced. Space for Change

Auch das Café wurde gemeinsam aufgebaut und wird nun von den Hausbewohnern geführt.

Foto: Displaced. Space for Change

Wien – Die Säge kreischt, die Nähmaschinen rattern: Frauen und Männer, die vor kurzem aus Syrien, Afghanistan oder dem Irak geflüchtet sind, zimmern Möbel und nähen Kleider, Hemden und Röcke in der größten Flüchtlingsunterkunft Wiens, in der Vorderen Zollamtsstraße im dritten Bezirk. In einem weiteren der Gemeinschaftsräume sitzen Architektur-Studierende der TU Wien mit ihren Dozentinnen, Renate Stuefer und Karin Harather, zusammen.

Was sie im Herbst 2015 als Lehrveranstaltung initiierten, ist heute ein erfolgreiches Integrationsprojekt: Displaced wurde am Sonntag mit der Sozialmarie ausgezeichnet. Der Preis würdigt seit 2005 jährlich 15 innovative Sozialprojekte in Europa. "Studierende greifen räumlich und also sozial ein, das zeigt ihre Verantwortung, und das zeigt unmittelbar Wirkung", heißt es in einer Stellungnahme der Jury.

Eingriffe in die Raumstruktur

Integration soll über Eingriffe in die Raumstruktur passieren, so die Idee von Displaced. Es gebe unter Flüchtlingen "starke Ängste", ihre Unterkunft zu verlassen, sagt Stuefer zum STANDARD. In der Vorderen Zollamtsstraße läuft deshalb alles innerhalb des Quartiers mit einer Kapazität von 900 Personen ab. Studierende, Asylsuchende und das Rote Kreuz, das die Einrichtung betreut, arbeiten eng zusammen: Werkstätten und ein Café wurden eingerichtet. Es gibt einen Kindergarten, eine Bibliothek und einen Gemeinschaftsgarten. Deutsch- und Wertekurse, Mal-, Musik- und Tanzworkshops werden abgehalten. Und die Studierenden lassen sich laufend neue Projekte einfallen.

Hausleiterin Martina Burtscher vom Roten Kreuz bezeichnet das Zusammenleben als "Dorf im Haus". Es ärgert sie, dass das "einzige funktionierende Großquartier in Wien" geschlossen werden soll – das sei "kontraproduktiv".

Das Gebäude im Eigentum der Bundesimmobiliengesellschaft soll ab dem Sommer für die Universität für angewandte Kunst umgebaut werden. Der Fonds Soziales Wien siedelt die aktuell 480 Hausbewohner bis dahin sukzessive in andere Unterkünfte ab. (Christa Minkin, 1.5.2016)