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Foto: REUTERS/Mike Segar

Ab wann ist man eigentlich alt? Ab dem Tag, an dem man mit dem Autoreisezug ins Urlaubsdomizil fährt, Freitagabend lieber Brettspiele spielt oder endgültig aufhört, in der U-Bahn schwarzzufahren. Es ist nicht immer ganz klar, wo und wann uns die Erkenntnis trifft, nicht nur nicht mehr ganz jung, sondern eindeutig alt zu sein. Ich zum Beispiel hatte neulich so eine Offenbarung, obwohl das jetzt viel zu positiv klingt. Sagen wir es so: Ich hatte ein Erlebnis, das nicht mehr viel Spielraum lässt. Noch präziser: Ich bekam elektronische Post, die mich traf wie eine Keule: Oh, jetzt bist du wirklich alt!

Apropos Schmerz

Natürlich weiß ich, dass es Einschnitte im Leben einer Frau gibt, und die allermeisten haben mit dem Alter oder zumindest mit Alterungsprozessen zu tun. Viele sind aufregend und schön, andere schmerzvoll, aber alle sind sie immer erkenntnisreich. Apropos Erkenntnis und apropos Schmerz: Stellen Sie sich Folgendes vor: Sie sitzen eines schönen Frühlingstages an Ihrem Schreibtisch, die Sonne scheint beim Fenster rein, und Sie sind bester Dinge. Ständig kommen Mails rein, irgendwelche Sachen, die eben so anstehen, die zu erledigen sind, nichts Aufregendes, Alltagsroutinen. Aber plötzlich ist er da, der Keulenschlag, der Sie ganz unvorbereitet trifft. Unauffällig zwischen all den anderen Mails, Veranstaltungshinweisen und Einladungen versteckt.

Geheimnisse und Tabus

Ich bin jetzt auch eingeladen, zum ersten Mal in meinem Leben: zu einer privaten Botox-Party, von der ich nicht einmal gewusst habe, dass es so etwas gibt. Zumindest nicht in meinem Freundeskreis. Sicher weiß ich, dass es Botox gibt. Sicher habe ich im Fernsehen Sendungen gesehen, wo Ärztinnen und Ärzte mit Frauen und selten auch mit Männern über die kleine und großen Eingriffe im Leben reden und sich gerne auch dabei filmen lassen, wenn jemand Messer und Nadel ansetzt. Freundinnen unserer Müttergeneration haben das manchmal schon gemacht, aber abseits der Mattscheibe blieb das immer ein Tabu, ein Geheimnis, über das frau nicht spricht. Auch das habe ich nie verstanden.

Gleich vorneweg: Ich habe abgesagt – dankend: "Schön, dass du an mich gedacht hast", habe ich geschrieben und musste dabei lachen. Apropos: Lachen macht ja auch Falten. So ist das eben mit den Einschnitten im Leben. Am gleichen Tag hat mir eine Freundin erzählt, dass sie von der Polizei aufgehalten wurde, weil sie mit dem Fahrrad gegen die Einbahn gefahren ist. 80 Euro hätte sie das fast gekostet. Sie hat gelächelt (vielleicht auch ihren Kopf ein bisschen schief gehalten) und einfach gesagt: "Bitte nicht!" – "Okay", hat der Polizist gesagt und sie weiterfahren lassen. Sie ist kein bisschen gebotoxt. Die Erkenntnis aus alldem? Vielleicht nur diese: Auch ich will weiter mit dem Fahrrad gegen Einbahnen fahren. Irgendwie hält einen das jung. Zumindest innen drinnen. (Mia Eidlhuber, 1.5.2016)