Wien/Brüssel – In der Flüchtlingskrise drängen laut einem Bericht mehrere EU-Staaten – darunter auch Österreich – darauf, ab Mitte Mai für mindestens sechs weitere Monate Grenzkontrollen im Schengen-Raum durchführen zu können. Der österreichische Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) sowie sein deutscher Amtskollege Thomas de Maiziere (CDU) bestätigten am Samstag beide, sich für weitere Grenzkontrollen einsetzen zu wollen.

Neben Österreich und Deutschland, fordern auch Belgien, Frankreich, Dänemark und Schweden, ab Mitte Mai einen dafür notwendigen Krisenmechanismus gemäß des Schengener Grenzkodex' zu aktivieren, wie die deutsche Tageszeitung "Die Welt" am Samstag berichtete.

In einem Schreiben an den stellvertretende EU-Kommissionspräsident Frans Timmermans und EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos heißt es demnach wörtlich: "Wir fordern Sie auf, dem Rat einen Vorschlag zu machen, der es den Mitgliedstaaten, die es für notwendig halten, erlaubt, vorübergehende Grenzkontrollen an den internen Schengen-Grenzen ab dem 13. Mai in Übereinstimmung mit Artikel 29 aufrecht zu erhalten oder einzuführen." Der Stichtag für Österreich ist der 15. Mai – acht Monate nach der Einführung vergangenen September.

"Andauernde Versäumnisse"

Die sechs EU-Staaten begründen ihren Vorstoß für verlängerte Kontrollen damit, dass die Lage an den EU-Außengrenzen zwar weniger dramatisch sei als in der Vergangenheit, dass "aber an einigen Orten noch andauernde Versäumnisse existieren". Ähnlich äußerten sich "Der Welt" zufolge hohe EU-Diplomaten, die wegen der weiterhin zu erwartenden Flüchtlingsbewegung Grünes Licht für eine Verlängerung erwarten. Die Kommission wolle am kommenden Mittwoch – wie bereits im März angekündigt – ihre Entscheidung bekanntgeben, hieß es am Samstag in Brüssel.

Der deutsche Innenminister de Maiziere begründete das gemeinsame Vorgehen so: "Auch wenn sich die Flüchtlingssituation an den Binnengrenzen entlang der Westbalkanroute derzeit entspannt hat, blicken wir mit Sorge auf die Entwicklungen an den Außengrenzen der Union." Die Mitgliedstaaten müssten weiterhin die Möglichkeit haben, Grenzkontrollen an ihren Binnengrenzen lageabhängig und flexibel dort anwenden können, wo es erforderlich sei.

Sobotka: Verstärkte Kontrollen im Burgenland

Sobotka erklärte am Samstag in einer Aussendung, dass an der burgenländischen Grenzen "mit größter Aufmerksamkeit die verstärkte Schlepperkriminalität" beobachtet werde. Seit 25. April werde an dieser Grenze verstärkt kontrolliert. Die südlichen Grenzen würden derzeit ebenfalls intensiv beobachtet.

Sobotka meinte weiters: "Mit dem Vorschlag ein abgestimmtes Grenzmanagement mit unseren Partnerländern nach Ablauf der Frist einzuführen wäre der erste große Schritt in Richtung einer gemeinsamen europäischen Lösung gesetzt, nicht nur für Österreich sondern auch im Sinne der Europäischen Union".

Nach Angaben aus Regierungskreisen ist die gemeinsame Initiative Deutschlands und der EU-Partner bei der EU-Kommission für Montag geplant. Diese könnte die Anwendung des Krisenmechanismus dann in Gang setzen.

Merkel: EU in entscheidender Phase

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel betonte am Samstag, der Schutz der EU-Außengrenzen in der Flüchtlingskrise dürfe nicht auf Kosten der Freiheiten im Schengen-Raum gehen. Deswegen sei die Europäische Union in einer "ganz entscheidenden Phase", sagte die CDU-Vorsitzende in ihrer wöchentlichen Video-Botschaft in Berlin. Sie habe sich entschieden, "dafür zu kämpfen, dass wir unsere Außengrenzen schützen können, dass wir den Raum der Reisefreiheit, der Bewegungsfreiheit, der Niederlassungsfreiheit behalten".

Die Kontrollen waren Mitte September wegen des Flüchtlingsandrangs eingeführt worden. Nach der Schließung der Balkanroute im Februar ist die Zahl der Neuankömmlinge in Österreich und Deutschland deutlich gesunken. In Österreich wurden im März nach vorläufigen Zahlen des Innenministeriums 3.265 Asylsuchende registriert – im Februar rund 5.112 im Jänner 5.951. In Deutschland wurden im März rund 20.000, im Februar 60.000 und im Jänner 90.000 Asylsuchende verzeichnet.

Route über Italien könnte wieder aktuell werden

Befürchtet wird jedoch nun, dass viele Flüchtlinge auf neue Routen über Italien ausweichen könnten. Österreich bereitet sich unter scharfer Kritik aus Rom auf Grenzkontrollen am Brenner, dem wichtigsten italienisch-österreichischen Übergang, vor.

Der deutsche Innenminister Thomas de Maiziere (CDU) hatte zuletzt eine Aufhebung der Kontrollen ins Gespräch gebracht. "Wenn die Zahlen so niedrig bleiben, würden wir über den 12. Mai hinaus keine Verlängerung der Grenzkontrollen durchführen", sagte der CDU-Politiker Anfang April im österreichischen Fernsehen. Damit löste er heftigen Protest in Bayern aus. (APA, 30.4.2016)