Das Migrationsproblem wird aus Sicht von Frans Timmermans nicht verschwinden, weil es ein globales Problem sei.

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Berlin/Brüssel/Wien –Die EU-Kommission empfiehlt einem Zeitungsbericht zufolge die Verlängerung von Grenzkontrollen im Schengenraum um sechs Monate bis Mitte November. Das gehe aus einer Empfehlung der EU-Kommission hervor, die am Mittwoch beschlossen werden solle, berichtete die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung".

Der Vorschlag der Kommission beziehe sich allein auf bestehende Kontrollen im Zusammenhang mit Flüchtlingsströmen aus Griechenland in Deutschland, Österreich, Dänemark, Schweden und Norwegen. Für Kontrollen am Brenner, wie sie Österreich im Zusammenhang mit möglichen neuen Strömen über die Mittelmeerroute vorbereitet, müsste die Regierung in Wien demnach eine andere Rechtsgrundlage bemühen.

Auf Verlängerung gedrängt

Seit einer Ausnahmeregelung im Herbst kontrolliert beispielsweise Deutschland wegen der Flüchtlingszuwanderung wieder die Grenze zu Österreich. Diese Ausnahmeregelung läuft am 12. Mai aus. Mehrere EU-Länder, darunter Österreich, hatten auf eine Verlängerung der Kontrollen an den Binnengrenzen gedrängt.

Die Mitgliedsstaaten sollten die Kontrollen an die Bedrohungslage anpassen und "sie auslaufen lassen, wo immer es angemessen ist", berichtete die Zeitung unter Berufung auf den Entwurfstext. Nach dem Willen der Kommission solle Griechenland die Verlängerung um sechs Monate nutzen, um Schwächen beim Schutz der Außengrenze zu beseitigen. Die EU-Behörde setze darauf, dass die Kontrollen im Schengenraum dann im November enden können.

Timmermans gegen neue Grenzen

Frans Timmermans, Vizepräsident der EU-Kommission, forderte die 28 Mitgliedsstaaten allerdings auf, keine neuen Grenzen hochzuziehen – sprach dabei direkt Österreich an. "Wenn wir Europa aufrechterhalten wollen, müssen wir aufhören, immer wieder neue Grenzen einzustellen", sagte er am Sonntag dem Deutschlandfunk. "Und ich finde, dass wir das auch von Österreich verlangen können." Er bezog sich dabei auf die Grenzsicherung am Brenner. "Wir werden Vorrichtungen für einen Zaun errichten, aber wir werden den Zaun nicht einhängen", hatte Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) am Freitag gesagt. Das geschehe erst dann, wenn es die Lage erfordere.

Das Migrationsproblem wird aus Sicht von Timmermans nicht verschwinden, weil es ein globales Problem sei. "Wir werden noch viele, viele Schwierigkeiten mit diesen Fragen haben." Fluchtursachen wie Krieg und Armut müssten bekämpft werden, außerdem müssten junge Menschen eine Perspektive bekommen. "Wir müssen dafür sorgen, dass diese Zukunft in diesen Regionen besser wird und nicht nur, dass die Leute denken: Wir können nur überleben, wenn wir nach Europa ziehen."

Steinmeier warnt Österreich

Auch der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier warnte vor den Folgen einer Brenner-"Schließung". "Die Auswirkungen wären auch für Österreich dramatisch", sagte er der italienischen Tageszeitung "La Repubblica" am Sonntag. Österreichs Haltung sei diesbezüglich durch den Wahlkampf um das Präsidentenamt stark beeinflusst.

Es gebe keinerlei Grund für eine "Grenzschließung", denn die Zahl der Flüchtlinge aus Nordafrika sei zuletzt nicht gestiegen. "Im Gegenteil, die Zahl sinkt langsam. Bis heute gibt es keine Ausweichrouten zur Balkanroute. Für eine Entwarnung ist es aber noch zu früh. Wir müssen diese Pause nutzen, um weitere gesamteuropäische Lösungen zu finden", sagte Steinmeier.

Bayern will Kontrolle an Grenze zu Österreich ausweiten

Bayern wird indes nach Angaben seines Innenministers Joachim Herrmann (CSU) mit der deutschen Regierung über die Ausweitung der Polizeikontrollen an der österreichischen Grenze verhandeln. Bisher wird nur eine Handvoll der gut 60 Grenzübergänge von der Polizei kontrolliert, Bayern will nun verlangen, dass es mehr werden. "Es wird Gespräche zwischen Bund und Bayern geben, wie die Kontrollen künftig ausgestaltet werden sollen", sagte Herrmann am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur. "Überall dort, wo die Grenzübergänge auch von Ausländern genutzt werden, muss kontrolliert werden."

Herrmann betonte, dass das Ausmaß der künftigen Kontrollen auch von der Entwicklung an der österreichisch-italienischen Grenze abhänge. "Sollte der Zustand eintreten, dass die Österreicher konsequente Kontrollen am Brenner durchführen, müssten wir in Kufstein nicht noch einmal kontrollieren." In Berlin habe sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Kontrollen an der österreichischen Grenze sachlich notwendig seien. "Das ist ein voller Erfolg für unsere bayerische Position", sagte Herrmann. "Wir erwarten, dass die Kontrollen umfassend und konsequent durchgeführt werden. Unser Angebot der Unterstützung durch die bayerische Polizei steht."

Strengere Kontrollen

Wegen der Befürchtung einer massiven Flüchtlingsbewegung über Italien bereitet Wien strengere Grenzkontrollen am Brenner-Pass vor. Eine Mauer oder eine Grenzsperre ist laut Innenminister Sobotka nicht geplant. Für den Verkehr werde es keine Folgen geben: "Die Auswirkungen verstärkter Kontrollen wären dieselben einer Mautstelle in Italien", sagte er der Tageszeitung "Il Messaggero". Nach Angaben des italienischen Innenministeriums sind seit Jänner 27.050 Migranten in Italien eingetroffen – ein Plus von 3,35 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum 2015. 113.195 Menschen sind in italienischen Flüchtlingseinrichtungen untergebracht.

Das EU-Umverteilungssystem kommt nur schleppend voran, klagte die italienische Regierung. Seit dem vergangenen September verließen laut EU-Angaben von Ende April lediglich 565 Flüchtlinge im Rahmen des Umverteilungsprogramms Italien. Dabei sollten in zwei Jahren 39.600 Flüchtlinge in anderen EU-Ländern untergebracht werden. (APA, red, 1.5.2016)