Die Nelke im Knopfloch, die Fahne in der Hand: Michael Häupl weiß, wie man den 1. Mai inszeniert, Werner Faymann beschränkt sich aufs Winken. Diesmal drohen Proteste das rote Hochamt zu stören.

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Wien – Auf Antrag der Jugendorganisationen wird der Parteivorstand der SPÖ nun vorverlegt, er wird am 9. Mai und nicht wie ursprünglich geplant am 17. Mai stattfinden. Es geht um eine Nachbesprechung des Debakels bei der Bundespräsidentenwahl, aber auch darum, ob es eine offizielle Wahlempfehlung für Alexander Van der Bellen geben wird. Der heikelste Punkt ist allerdings die Festlegung eines Termins für den Bundesparteitag. Laut Antrag der SPÖ-Spitze soll dieser von 11. bis 13. November stattfinden. Die Kritiker von Kanzler und Parteichef Werner Faymann fordern eine Vorverlegung, um dort auch die Personalfrage zu entscheiden.

Faymann wehrt sich entschlossen gegen eine Vorverlegung – und will Parteichef bleiben. Für die Festlegung des Parteitags braucht es im Vorstand, der insgesamt 70 Personen umfasst, eine einfache Mehrheit. Diese scheint Faymann noch aufzubringen, auch wenn es praktisch aus allen Landesorganisationen Stimmen gibt, die für eine Vorverlegung sind.

Unmutsäußerungen

Sorgen gibt es in der Parteiführung derzeit auch mit Blick auf den traditionellen Maiaufmarsch der SPÖ in Wien. Man rechnet mit breiten Unmutsäußerungen, wie Kommunikationschef Matthias Euler-Rolle einräumt. "Das gehört dazu, wir sind eine demokratische Partei", sagt er. Die Inszenierung der Hochamtsfeier zum 1. Mai droht jedenfalls empfindlich gestört zu werden. Gerade die Jugendorganisationen wollen mit Aktionismus auf ihre Unzufriedenheit mit der Parteiführung aufmerksam machen, auch aus den Sektionen sind Proteste gegen Faymann zu erwarten.

In welch angeschlagenem Zustand sich die rote Parteispitze befindet, ließ sich am Donnerstagabend aus der seltsamen Inszenierung eines Interviews, zu dem der ORF ins Kanzleramt bestellt wurde, herauslesen. Neben Faymann nahm dort auch der Wiener Bürgermeister Michael Häupl Platz – mit sichtbarem Unmut. Der SPÖ-Chef insistierte dort mit emotionaler Geste: "Gewählt ist gewählt."

Turbulente Stunden

Diesem ORF-Auftritt, bei dem Faymann und Häupl den aufmüpfigen Genossen den Kopf wuschen, gingen turbulente Stunden voraus. Der Kanzler sei bereits angezählt gewesen, wird in Parteikreisen erzählt. "Es war eine Berg-und-Tal-Fahrt. Einmal war er oben, dann wieder unten, mal blieb er, mal war er schon weg", schildert ein SPÖ-Insider. In der Früh habe er jedenfalls noch zuversichtlich gewirkt, keine Rede von Rückzug, gegen Mittag sei dann aber das Gerücht gelaufen, Faymann habe sich damit abgefunden zu gehen.

Alles hat an diesem Donnerstag auf den starken Mann im Wiener Rathaus gewartet. Am Nachmittag war dann klar: Häupl wird Faymann den Rücken stärken.

Diskussion ohne Tabus

Die Debatte ist damit nicht beendet. Dieses Doppelinterview sei "ein strategischer Fehler" gewesen, heißt es. "Es kann sicher nicht sein, dass die Debatte aus ist, noch bevor sie begonnen hat", wagt sich der steirische SP-Landesgeschäftsführer Max Lercher vor den Vorhang. Es gelte nach wie vor die Forderung des steirischen Landesparteichefs Michael Schickhofer, der zufolge die Diskussion in der SPÖ "jetzt personell, strukturell und inhaltlich ohne Tabus zu führen ist – ob man will oder nicht". (Walter Müller, Michael Völker, 30.4.2016)