Foto: HTC Vive
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Bild: Hersteller
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Der Traum davon, eines Tages in die virtuelle Realität zu reisen, ist so alt, wie Science-Fiction-Romane selbst. Nach verfrühten Gehversuchen in den 1980er-Jahren ist die Technik nun endlich tatsächlich fortgeschritten genug, um dieses Hirngespinst zu realisieren. Eines der ersten kommerziell verfügbaren VR-Systeme, das neben einer Reihe weiterer Lösungen 2016 am Markt erhältlich ist, nennt sich Vive – ein Gemeinschaftsprodukt von Elektronikunternehmen HTC und Softwarehersteller und Technologiepartner Valve. Diese Kombinantion aus Headset und Bewegungssteuerung ist derzeit das kompromissloseste Produkt seiner Art und ermöglicht es, Spiele und andere digitale Inhalte so zu erleben, als wäre man selbst in ihnen. Fiktive Welten, Kreationen aus Nullen und Einsen, verlassen dadurch scheinbar die physischen Grenzen von TV- und Monitorrändern und werden zu Orten, die man aufsuchen kann.

Eine Illusion, die digitale Medien ungleich realer, greifbarer macht, und den Grundstein für eine Zukunft legt, in der man mit Hilfe von ein wenig Technologie fast alles erleben und überall sein kann, ohne einen Schritt vor die Tür zu setzen. Die Vive ist ein Ticket dahin, der Weg zum Holodeck oder der Matrix ist aber auch in diesem Fall noch von jeder Menge Hürden verstellt. Der Preis von 899 Euro, die aktuell schlechte Verfügbarkeit und ein leistungsstarker, nicht weniger teurer PC als technische Voraussetzung sind drei dieser Hindernisse.

Video: Wir testen die HTC Vive und spielen abgefahrene VR-Games
WIRSPIELEN

VR-Technik, die funktioniert

Um das entscheidende Gefühl der Präsenz zu gewährleisten, also die Empfindung sich physisch in einem virtuellen Raum zu befinden, setzt Vive auf ein ausgeklügeltes, aber nicht unkompliziertes System. Im Headset sind zwei Screens verbaut, die mittels vorgeschalteten Linsen ein ca. 110 Grad umspannendes Bild erzeugen. Sensoren greifen die Kopfbewegungen ab und erlauben es damit, sich 360 Grad in der virtuellen Welt umzusehen. Das Bild ist nicht gestochen scharf und man erkennt den Rand der Brille noch deutlich, doch es reicht, um schon in wenigen Sekunden in der Fantasie zu versinken und die technischen Limitierungen zu vergessen. Der Tragekomfort der Brille könnte noch klar höher sein, nach längeren Sessions zeichnet sich die Maske im Gesicht ab und hinterlässt vorübergehend Rötungen. Und besonders das schwere Kabel an der Hinterseite stört, aber dazu später mehr. Hervorragend ist dafür das Nutzungsgefühl. In unseren Tests mit mehreren Personen wurde keinem der Probanden schlecht. In der Regel sorgt VR immer dann für ein mulmiges Gefühl, wenn man Bewegungen macht, die man noch nicht kennt. Damit ist die Fortbewegung in VR genauso wie in echt ein Lernprozess. Damit einem die Technik keinen Strich durch die Rechnung macht und man aufgrund schwankender Bildraten seinen Mageninhalt entleert, müssen sich Anwender wie Entwickler an genaue Hardwarevorgaben halten. Im Test gab es diesbezüglich keine Probleme, solange kein anderes Programm die Leistung beeinträchtigte.

HTC Vive wird im kompletten Set mit Controllern, Kopfhörern und Raumerfassungssystem ausgeliefert. Zudem sind alle nötigen Kabel und eine zweite Maskenauflage beigelegt.
Foto: HTC Vive

Virtuelle Hände

Der Ton kommt über konventionelle Klinke-Kopfhörer, wird aber per Software so aufbereitet, dass sich die Quelle genau orten lässt. Die Hände werden in VR durch zwei eigens geschaffene Bewegungscontroller simuliert. Abzüge für Zeigefinger, Drucktasten für Handballen und die restlichen Finger sowie Vibrationsfeedback machen die Interaktion intuitiv. Über Trackpads für die Daumen können auch Scroll- und Dreh-Mechaniken abgebildet werden. Die Controller sind hochwertig verarbeitet, an der Ergonomie könnte aber noch ein wenig gefeilt werden.

Verstärkt wird die Realitätsflucht mittels eines "Roomscale" getauften Erfassungssystem, das die Bewegungen des Anwenders scannt. Zwei diagonal im Raum platzierte Laser-Emitter erzeugen ein für das menschliche Auge nicht sichtbares Gitter, das von zahlreichen Sensoren auf der Brille und den Controllern erkannt und zur Positionserfassung im realen wie virtuellen Raum genutzt wird. Man kann auch im Sitzen oder Stehen spielen, doch mittels Roomscale kann man die fiktive Welt in Bewegung erleben, was die Illusion je nach Inhalt ungleich glaubwürdiger macht.

Die beiden Controller sind hochwertig verarbeitet und ermöglichen eine extrem präzise Steuerung. Das Design könnte ergonomischer sein.
Foto: HTC Vive

Ein bisschen wie im Holodeck

So kann man sich etwa an Deck eines versunkenen Schiffes nach exotischen Fischen umsehen, oder im Kampf gegen schießende Drohnen ein wenig wie Neo den Projektilen ausweichen. Dass man dabei von Außen betrachtet etwas dämlich aussieht, lässt sich nicht verhindern, dafür wird aber mittels einmaliger Kalibrierung und einer Kamera im Headset verhindert, dass man unabsichtlich gegen reale Wände läuft. Kommt man dem Spielfeldrand zu nahe, taucht ein Gitter vor den Augen des Anwenders auf und zusätzlich kann die Umgebung dank Kamera als Videobild oder – noch etwas cooler – schemenhaft dreidimensional angezeigt werden.

Von den aktuell verfügbaren Demos, Spielen und Anwendungen nutzen bereits dutzende Inhalte das System. Der Haken daran: Man benötigt recht viel Platz dafür. Mindestens 1,5 mal 2 Meter Freifläche setzt der Hersteller voraus, doch in der Praxis bewehren sich 2,5 mal 2,5 Meter wesentlich besser, um nicht ständig an die Grenzen zu stoßen. Und erste Spiele empfehlen bereits noch mehr Raum zum Spielen. Der Abstand der beiden Emitter soll aber nicht mehr als 5 Meter betragen.

Wer die Roomscale-Funktion der Vive nutzen will, benötigt viel Platz. Die Emitter sollten unbedingt an der Wand montiert werden und für einen Stromanschluss gesorgt sein.
Foto: HTC Vive

Erschreckend natürlich

Da nicht jeder künftige VR-Anwender über so viel Platz verfügt, und zu viel Bewegung sowieso zu anstrengend für die Wohlstandsgesellschaft ist, bedienen sich Entwickler abseits dessen weiterer Tricks, um sich virtuell fortbewegen zu können. Beispielsweise kann man mit dem Controller auf eine Stelle zielen und sich per Kopfdruck dort hinbeamen. Und viele andere Erfahrungen wie Bogenschießen oder ein Musikspiel, bei dem man mit Schildern in der Hand im Rhythmus Beats "abwehren" muss, sind für den Stand ausgerichtet. In einem Raumschiff oder Auto wird man wiederum so oder so hinter das Steuer gesetzt. Für das Gefühl der Präsenz entscheidend ist, dass sich das Setting realitätsnah anfühlt.

Die Controller fungieren hier als großartige Werkzeuge, um Interaktionen intuitiv zu gestalten. Ein Schwert wird nicht mit einem Joystick geschwungen, sondern mit dem Arm. Um eine Tontaube ins Visier zu nehmen, bewegt man kein Fadenkreuz mit der Maus, sondern richtet seine Hand aufs Ziel und schießt. Um genauer zu sein, kann man sogar über Kimme und Korn ins Schwarze blicken. Wie in der Realität fasst man auch in VR ganz viel mit den Händen an, führt Gegenstände zu sich heran und denkt schon bald nicht mehr darüber nach, ob man mit digitalen Bällen jonglieren kann oder sich Messer werfen lassen und, ob man vorbei schwebenden Quallen einen Stupser verpassen kann. In VR muss man niemanden erklären, wie er Minigolf zu spielen hat. Er setzt an und schlägt die Kugel ins Loch. Man tut es einfach und es fühlt sich erschreckend natürlich und präzise an.

Die Linsen lassen sich auf den Augenabstand abgleichen. Sofern das Gestell nicht zu groß ist, kann man auch mit Brillen spielen.
Foto: HTC Vive

Fast grenzenlos

Dieses Maß an Realismus bildet den Grundstein dafür, dass man in VR Dinge erleben kann, von denen man in Wirklichkeit nur träumt. In einer interaktiven Geschichtsdoku wird man zu Neil Armstrong und kann die erste Mondlandung vom Start der Rakete bis zu den ersten großen Schritten auf dem fernen Himmelskörper selbst nacherleben. Im schwarzen Nichts von der Erde davon fliegend, werden einem mehr denn je die Dimensionen des Weltraums klar und auch, wie winzig man selbst ist.

Raumschiffe, Meteoriten, unter Wasser vorbeiziehende Wale und selbst statische Gebäude bei einem virtuellen Tripp nach Rom wirken in VR eindrucksvoller, als in jedem Film oder auf jedem Bild, weil man durch seine eigene Präsenz den ultimativen Bezugspunkt hat. Einen Riesen vor sich zu haben und hinauf zu blicken, erinnert daran, wie man als Kind zu ersten Mal vor einem Wolkenkratzer stand. Auf einem virtuellen Berg stehend spürt man zwar noch nicht den kalten Wind im Gesicht, aber man hört ihn und blickt man die Abgrund herab, werden bei Höhenangst auch ein bisschen die Knie weich.

Weniger kann mehr sein

Das erstaunliche daran ist, dass die Illusion selbst bei rudimentärerer Grafik aufrecht bleibt. Während moderne, traditionelle Videospiele dem Fotorealismus hinterherjagen, nimmt man in VR selbst Blockmännchen und Comicstile als authentisch wahr. Relation und Interaktion sind sorgen für die Immersion. Tatsächlich wirken in VR kleinste Effekte, die man in Filmen oder Spielen mittlerweile als selbstverständlich betrachtet, so viel intensiver, dass sich Entwickler derzeit noch bewusst mit der Reizüberflutung zurückhalten.

Mit Displays vor den Augen, Kopfhörern im Ohr und dem Gefühl im Bauch, Teil dieser Fiktion zu sein, ist man dem Erlebnis vollkommen ausgeliefert. Ist die Umgebung interessant, beeindrucken selbst weitgehend passive Spaziergänge. Funkenflüge bringen einen wie reale Feuerwerke zum Staunen und allein in einem virtuellen Schlafzimmer aufzuwachen und die Schritte eines unbekannten Eindringlings im Haus zu hören, kann einem virtuell den Schrecken seines realen Lebens bereiten.

Video: Gameplay-Montage zu Vive-Spielen.
Valve

Empfehlungen: Games

Vielleicht gerade weil in dieser frühen Phase der virtuellen Realität noch alles so neu und intensiv wirkt, verzeiht man den aktuell verfügbaren Angeboten der Spiel- und Softwarehersteller, dass die meisten der dutzenden Inhalte zu teils gesalzenen Preisen noch einen starken Democharakter haben. Von rund 30 getesteten Werken, sind diese besonders in Erinnerung geblieben:

Also kostenlose Sammlung veranschaulicht Valves "The Lab" exzellent, welche Einsatzmöglichkeiten es gibt. Bogenschießen oder ein riesiges Katapult demonstrieren typische, intuitive Interaktionen mit den Controllern als virtuelle Hände.

Der exzellent funktionierende Highscore-Shooter "Space Pirate Trainer" (14,99 Euro) bietet derzeit eine einzige Umgebung und immer gleiche Gegnerwellen, zeigt aber dafür auf, wie viel besser Schießspiele in VR zu steuern sind als mit Gamepad oder einer Maus.

Für nur 99 Cent kann man sich in "The Visitor" wiederum einen kleinen Herzinfarkt holen. Die Demo beweist effektiv, dass Horror in VR neue, nervenzerreißende Sphären erschließt.

In der Werkstatt pfuschen und in der Küche Eier herumwerfen, ohne nachher aufräumen zu müssen, darf man in "Job Simulator" (27,99 Euro). Ziemlich spaßige Angelegenheit.

Wer sich gerne im Rhythmus zur Musik bewegt, wehrt in "Audioshield" (19,99) Beats mit Schilden ab. Eine Kreuzung aus "Tron" und "Guitar Hero", die süchtig macht. Songs werden über Soundcloud eingespielt, zwei Stages und drei Schwierigkeitsgrade stehen vorerst bereit.

Zu den Spielen, die bereits so ein bisschen in die Zukunft der VR-Games blicken, gehört definitiv "Budget Cuts". In der kostenlosen Demo infiltriert man ein Labor und macht sich dafür so ziemlich jede Interaktionsmöglichkeit zu nutze, die man sich vorstellen kann. Man durchsucht Schränke nach Schlüsseln, teleportiert sich an Gegnern vorbei und knockt Roboter mit Wurfmessern aus. Vielseitig hervorragend, hoffentlich, wird ein vollständiges Spiel daraus.

An diese Vorreiterschaft hängt sich auch "Out of Ammo" (14,99 Euro) dran. Darin wird man zum Dirigenten einer kleinen Armee und muss mit den Händen eines Gottes Soldaten in einem Stützpunkt platzieren, um Gegnerwellen abzuwehren. Gleichzeitig kann man im Koordinationsstress selbst in die Rolle der Soldaten schlüpfen und Rambo spielen. Clever fordernd.

Video: Demo zu "Tilt Brush"
Google

Empfehlungen: Mehr als Spiele

Spiele sind als das interaktivste aller Medien der klare Showcase für VR, die Möglichkeiten von VR bereichern aber weit mehr Anwendungen und Sparten. So versuchen sich Entwickler bereits ziemlich überzeugend an VR-Filmen, dokumentarischen und nicht fiktiven Inhalten sowie an kreativen Programmen. 360-Grad-Filme, die das Umschauen in Szenen erlauben, sind die einfachste dieser Ideen und inspirieren derzeit Hollywood und Dokumentarfilmer genauso wie die Pornoindustrie. Bei letzterer Branche mangelt es im Hinblick auf die Vive allerdings noch an Support und guten Skripts, hört man. Im erotikarmen Test stachen daher diese Werke heraus:

Ebenfalls in "The Lab" (kostenlos) zeigt eine Reisestation auf, wie virtueller Tourismus einmal aussehen könnte und ein VR-Sonnensystem, in dem man alle Planeten und die Sonne maßstabsgetreu anfassen kann, verdeutlicht, welches Potenzial VR für Unterrichtszwecke mit sich bringt.

Wer in seinem Leben noch nicht in die Tiefen des Ozeans tauchen konnte, aber auch einmal Fische, Schildkröten und farbenfrohe Korallen aus nächster Nähe betrachten möchte, wird mit "TheBlu" (9,99 Euro) drei kurze aber große Unterseefreuden haben. Ein meditatives, beeindruckendes Erlebnis.

Mit "Tilt Brush" (27,99 Euro) stellt Google ein hervorragendes VR-Mal- und Modellierprogramm bereit, mit dem man im Raum zeichnen und gestalten kann. Die Führung des Controllers als Pinsel klappt so intuitiv wie präzise und hat schon einige eindrucksvolle Skulpturen hervorgebracht.

"Apollo 11 VR" (14,99 Euro) ist ein Dokumentarprojekt, das noch zukunftsweisend sein könnte. Darin erlebt man die Berichterstattung über die erste Mondlandung in den Schuhen eines Bürgers in den 60er-Jahren ebenso, wie den Raumflug und die finale Landung in der Rolle der Astronauten.

Ein Erlebnis der völlig anderen, fast schon spirituellen Art ist "Irrational Exuberance: Prologue" (kostenlose Demo). Darin erwacht man mitten im Weltall und lässt einen Meteoritenschauer über sich ergehen. Eine visuell wie akustisch hypnotisierende Erfahrung.

Das schwere Kabel am Hinterkopf und die nicht unkomplizierte Einrichtung der Vive gehören zu den größten Mängeln des Systems.
Foto: HTC Vive

Realitycheck mit vielen Stolpesteinen

Aufregend an dieser VR-Geburtsstunde ist, dass mit jeder Woche neue spannende Werke erscheinen und die Messlatte praktisch im Stundentakt höher gelegt wird. Es erinnert ein wenig an die Gehversuche des Mobile-App-Marktes, als der Pioniergeist noch dominierte und das Feld für heute unerlässliche, aber auch viele überflüssige Anwendungen bereitet wurde. Dass sich VR noch in den Kinderschuhen befindet, wird aber vor allem dann klar, wenn man die Brille wieder abnimmt, weil ein Spiel abgestürzt ist oder doch nachkalibriert werden muss. Schon die Einrichtung der Vive ist in Anbetracht eines Massenmarktprodukts problematisch.

Der vorausgesetzte PC muss mit Windows laufen und genaue Spezifikationsvorgaben erfüllen. Die zentrale Plattform bildet der PC-Spieledienst Steam, über den auch sämtliche Inhalte angeboten werden. Valve bietet hier einen Leistungstest an, der das eigene System auf Tauglichkeit prüft. Achtung: dabei kommt es auch auf die Anschlüsse an. Will man etwa nicht nur die Brille über HDMI anschließen, sondern auch den PC-Monitor, benötigt man eine Grafikkarte mit zwei HDMI-Ausgängen oder einen Adapter auf eine andere Schnittstelle.

Die Installation und erstmalige Kalibrierung der Vive wird mittels einer gut verständlichen interaktiven Anleitung vorgenommen. Problemquellen gibt es aber viele – die bereits angesprochene Raumanforderung ist eine davon. Weiters sollten die Laser-Emitter fest an die Wand montiert werden, da selbst eine unabsichtliche Verrückung durch Erschütterungen eine Neukalibrierung erfordern könnte. Hinzu kommt, dass jeder der Emitter an den Strom angeschlossen werden muss, das kurze beiliegende Kabel zum Netzteil macht die Montage nicht einfacher.

Die Controller integrieren einen Akku, der genügend Energie für mehrere Tage liefert. Zum Laden müssen sie an einzelne Netzteile oder andere Stromquellen mit USB-Ausgang angeschlossen werden. Und da die sie über eine eigene Firmware verfügen, müssen sie bei einem Update auch per Kabel an den PC angeschlossen werden.

Den größten, wortwörtlichen Stolperstein stellt jedoch das dicke und schwere Kabel dar, das vom Headset ausgeht und über eine kleine Verteilerbox an den Strom und per USB und HDMI (oder DP) am PC angeschlossen wird. Gerade weil Vive eine Raumerfassung ermöglicht, stört dieses Ziehen am Hinterkopf. Bei einer maximalen Spielfelddiagonale von 5 Metern wirkt zudem das Kabel zu kurz bemessen. Für die alltägliche Nutzung muss man jedenfalls unbedingt bedenken, wo letztendlich der PC stehen soll.

Grafik: VR-Systeme im Vergleich
Foto: DER STANDARD / Zsolt Wilhelm

Es müsste einfacher sein

Neben diesen Hardware-Hürden und der generellen Platzfrage könnte zudem die softwareseitige Nutzung einfacher sein. Nicht immer liegt dabei die Schuld an den Herstellern. Steam VR ist zwar beispielsweise eine solide Plattform zur Auswahl und zum Start von VR-Inhalten, immer wieder muss man allerdings die Brille absetzen und auf den Desktop zurückkehren, weil ein Spiel abstürzt, sich die Windows-Firewall meldet oder (selten) ein Controller nicht erkannt wird oder Mätzchen macht. Dann muss man Steam VR neu starten und im schlimmsten Fall die Kalibrierung nochmals durchführen. Das Interface lässt sich ebenso noch stark simplifizieren. Um VR-Inhalte etwa auf dem PC-Monitor zu spiegeln und den Ton auch für Zuseher auszugeben, muss man in den Einstellungsmenüs die jeweiligen Ausgabequellen selbst anwählen. Viel Glück dabei, wenn ihr PC vier verschiedene kryptisch beschriebene Audioquellen anbietet.

In der Testzeit gab es immer wieder einmal ein kleineres Problem, was sehr oft daran lag, dass die Spiele und Anwendung noch Vorversionen oder Demos waren. Das ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits ist es toll, dass die Plattform für viele spannende Projekte offen ist und so auch experimentellere Erfahrungen verfügbar sind, andererseits fühlen sich einige Erlebnisse damit wie Aufgaben für Tüftler an. Valve wäre auf alle Fälle gut damit beraten, das Portfolio hinsichtlich der technischen Umsetzung noch etwas strenger zu kuratieren und die Nutzung von Steam VR stark zu simplifizieren.

Video: Wir testen die HTC Vive und spielen abgefahrene VR-Games
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Fazit

Der große Widerspruch im Produkt Vive liegt darin, dass es Videospiele und digitale Inhalte auf eine Art und Weise begreifbar macht, die intuitiver und plastischer ist, als jede elektronische Medienform zuvor, und gleichzeitig ein Setup erfordert, das in der Komplexität herkömmlicher Computersysteme feststeckt. Der Preis ist hoch, aber das größte Hindernis auf HTCs und Valves Weg zur Medienrevolution ist der simple Umstand, dass man die Vive nicht einfach anstecken und benutzen kann.

Vermutlich werden konsolenbasierte Systeme wie das kommende PlayStation VR und – wenn die Hardware einmal leistungsstark genug ist – mobile VR-Lösungen wir Gear VR hier Abhilfe schaffen. Richtig abheben wird dieses neue und wirklich bahnbrechende Medium jedenfalls erst dann, wenn es nicht nur erschwinglich für die Massen ist, sondern vor der eigentlichen Anwendung keine umfassende Erklärung und Einrichtung mehr benötigt.

Bis dahin stellt HTC Vive aber dennoch einen absolut eindrucksvollen Beweis dafür dar, dass man virtuelle Welten so erleben kann, als wären sie real. So mächtig ist die Täuschung unserer audiovisuellen und haptischen Sinne. Wie schnell sich diese aufregenden neuen Möglichkeiten entwickeln werden, wird zu großen Teilen von der Neugier zahlungswilliger Enthusiasten und der Zuversicht von Softwarepionieren abhängen. Vielleicht wird es Jahre dauern, bis VR für uns so selbstverständlich erscheint, wie TV und das Internet. Für jemanden, der es in dieser Qualität ausprobiert hat, ist jedoch klar: es gibt keinen Weg zurück. (Zsolt Wilhelm, 1.5.2016)

HTC Vive unterstützt Windows-PC und nutzt die Plattform Steam. UVP: 899 Euro.