Wien – Zum Zersetzen von Biomasse für die Nährstoffaufnahme stehen Pilzen unterschiedliche Werkzeuge zur Verfügung. Auf welche Reize hin sie zu diese aktivieren, konnten Forscher von der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien nun aufklären. Ihre im Fachblatt "Science" präsentierten Erkenntnisse könnten Verfahren zur Biomasse-Umwandlung – etwa zur Gewinnung von Biotreibstoff – beschleunigen.

Pflanzen machen es anderen Lebewesen nicht gerade einfach, sich von ihnen zu ernähren: Der komplexe Aufbau ihrer Hauptbestandteile – Zellulose, Hemizellulose und Lignin – sorgt dafür, dass diese nur mit hohem Aufwand in verdauliche Einzelteile wie Glukose umgewandelt werden können. Als die Weltmeister in der Disziplin Zersetzung gelten Pilze. Darum widmet sich ein Team um Roland Ludwig vom Boku-Institut für Lebensmitteltechnologie ihren besonderen Fähigkeiten.

Molekulares Stemmeisen

Das besondere Interesse der Forscher gilt einer erst vor fünf Jahren entdeckten Klasse von Pilzenzymen – den lytischen Polysaccharidmonooxygenasen (kurz LPMOs). Dieses "Werkzeug" bereitet gewissermaßen das Material vor, damit dann die Zellulasen mit der vollständigen Zersetzung beginnen können. "Die Zellulasen sind wie ein Hobel, der das Material Schicht für Schicht abträgt. Verglichen damit ist LPMO ein Stemmeisen, das tiefe Kerben schlägt", sagte Ludwig.

Die LPMOs können aber nicht alleine arbeiten, sie brauchen auch Hilfsenzyme. "Wir haben jetzt herausgefunden, welche das sind", so der Forscher. Das Team aus Österreich, Norwegen und Polen erkannte, dass es viele Möglichkeiten gibt, wie LPMOs zur Arbeit motiviert werden. Während etwa Weißfäulepilze ein spezielles Enzym (Zellobiosedehydrogenase) für die Aktivierung gezielt einsetzen, brauchen Braunfäulepilze dafür andere Enzyme aus dem Holzabbau.

Industrielles Interesse

"Die Evolution scheint verschiedenste Wege gefunden zu haben, um die LPMOs – über die etwa 90 Prozent der Pilze verfügen – anzutreiben. Das ist also ein sehr universaler Mechanismus, der dementsprechend wichtig sein muss", sagte Ludwig.

Obwohl der Abbau von Biomasse durch Pilze in der Regel sehr lange dauert, seien die neuen Erkenntnisse für die Verbesserung industrieller Methoden zur Biomasse-Umwandlung, etwa zur Gewinnung von Bioethanol, interessant. Solche Prozesse laufen in Bioraffinerien zwar bei weit höheren Temperaturen und unter massivem Einsatz von Enzymen schon innerhalb weniger Stunden ab, man benötige dafür aber noch viel Energie und erhalte oft Rohstoffe von minderer Qualität. Die neuen Erkenntnisse über die Aktivierung von LPMOs könnten dabei, diese Prozesse zu beschleunigen und effizienter zu gestalten. (APA, red, 1.5.2016)