Wien – Das digitale Zeitalter droht einen für diese Kunst blind zu machen. Das Auge – effektverwöhnt von computergenerierten Visuals – ist beinahe verdorben für solch analogen Zauber, für den langsamen, rhythmischen Lichtertanz, für das Aufleuchten grüner, roter, gelber und orangefarbener Punkte in einer schwarzen Box.

Die Boîte Lumineuse (1964) von Horacio Garcia-Rossi sei eine "Kunst, die im Moment passiert, die nie gleich ist", umschreibt Harald Krejci, nunmehr Chefkurator im 21er-Haus, das sich unablässig verändernde, vom Zufall gesteuerte Farbspiel. Und dieses fasziniert umso mehr, je genauer man sich die Konstruktion des Objekts vergegenwärtigt: Im Inneren des Zauberkastens sind Glühbirnen mit farbigen Folien davor. Ihr Licht wird durch Metallplättchen, die an einer rotierenden Scheibe befestigt sind, reflektiert und schließlich über Plexiglasstäbchen an die Außenseite des Kastens transportiert – quasi eine Art elektrifiziertes Kaleidoskop.

mikrprod

Als tanzendes konstruktivistisches Gemälde lässt sich in der mit ihrer Verspieltheit verführenden Ausstellung Rück-Blick: Kinetika 1967 hingegen Jean Tinguelys Maschinenbild umschreiben: Denn die weißen Metallelemente vor schwarzem Grund rotieren wie Zeiger eines Uhrwerks und erzeugen so sich wandelnde Muster.

Es sind ganz einfache technische Mittel, simple mechanische Tricks, mit denen die Vertreter der kinetischen Lichtkunst und Op-Art damals gearbeitet haben. Für den Moiré-Effekt in Antonio Asis Vibratin mobile (1967) sorgen etwa zwei Lochmetallplatten, von denen eine mittels Federmechanik in Schwingung gebracht wird. Ein bisschen bange macht einen hingegen Nicolas Schöffers Apparatur Microtemps Nr. 15: Wie eine wild gewordene Maschinenballerina tanzt dort eine rotierende Metallscheibe in buntem Discolicht.

21erHaus

Der Titel der Schau verrät: Es handelt sich um einen Rückblick auf Werner Hofmanns legendäre Kinetika-Schau im damals noch jungen 20er-Haus. Er zeigte die internationale Avantgarde der von Kybernetik und visueller Forschung inspirierten Kunstströmungen – und mittendrin auch die Österreicher Richard Kriesche, Marc Adrian und Helga Philipp.

Eine Rekonstruktion ist die Ausstellung allerdings nicht. Die historische Schau umfasste 38 Künstler, die aktuelle 17. Von diesen wählte man 25 Werke aus, historisch identisch sind nur fünf (möglicherweise auch sieben, genauer lässt es sich aufgrund des dokumentarischen Materials nicht mehr eruieren). Man nähert sich also eher dem Geist der historischen Schau. Das ist ein wenig verwirrend und wirkt etwas zu gewollt, erst recht weil man die Auswahl in die Ausstellung Abstract Loop, die ja ebenfalls kinetische Kunst und Op-Art zeigt, eingebettet hat.

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Joël Stein: Accelération optique No. III, 1964/2005
Privatsammlung Bad Homburg Foto: © Belvedere, Wien
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Martha Boto: Exaltations lumineux alternées, 1967
Privatsammlung Bad Homburg Foto: © Belvedere, Wien

(Anne Katrin Feßler, 28.4.2016)

Ausstellungsaufbau "Kinetika", 1967

Foto: mumok Archiv (Fotograf unbekannt)

Historische Aufnahmen: Blick in die Ausstellungshalle, "Kinetika", 1967

Foto: mumok Archiv (Fotograf unbekannt)

Blick in die Ausstellungshalle, "Kinetika", 1967

Foto: mumok Archiv (Fotograf unbekannt)