Windräder ragen aus dem Morgennebel bei Leopoldsdorf im Marchfeld: Die Anlagen kosten zwar in der Errichtung viel, im Betrieb aber wenig.

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Wien – 30 Jahre nach Tschernobyl und halb so lange seit Beginn der Liberalisierung der Strommärkte läuft es in der E-Wirtschaft alles andere als gut. Ein Überangebot an elektrischer Energie hat die Großhandelspreise auf Talfahrt geschickt, sodass immer mehr der einst prächtig verdienenden Energieversorger nicht wissen, wie sie ihre Löcher stopfen sollen. Die Haushaltskunden hingegen können diese Klagen schwer nachvollziehen, ihre Stromrechnung ist in den meisten Fällen nicht kleiner geworden. Und Besserung zeichnet sich nicht ab.

Notwendiger Ökostromausbau

"Der Preis für Strom bleibt auch auf lange Sicht niedrig", zerstreut Peter Püspök, Präsident des Dachverbands Erneuerbare Energien Österreich, Hoffnungen von arrivierten Stromproduzenten. Püspök, ein gelernter Banker, meint damit den reinen Energieanteil auf der Stromrechnung. Der macht etwa ein Drittel aus – der Rest sind Steuern und diverse Abgaben, darunter für Ökostrom. Letzteren sieht Püspök zumindest mittelfristig nicht kleiner werden, wie er dem STANDARD sagte: "Ohne Anreize werden Investoren kein Geld lockermachen für den aus Umweltgesichtspunkten höchst notwendigen Ökostromausbau."

Gegen den Begriff "Förderung" verwahrt sich Püspök: "Wir werden nicht gefördert. Gefördert werden die fossilen Energien; die verursachen Schäden und werden nicht zur Rechenschaft gezogen." Berechnungen hätten gezeigt, dass sich der Schaden aus fossiler Stromerzeugung im Durchschnitt auf etwa zehn Cent je Kilowattstunde beläuft. Zum Vergleich: Im Großhandel kostet eine Kilowattstunde derzeit weniger als drei Cent. Dass der Strompreis trotz anderslautender Prognosen auch in den nächsten Jahren nicht steigen wird, begründet Püspök mit dem nicht zuletzt politisch gewollten höheren Anteil erneuerbarer Energien am Produktionsmix. "Sonne und Wind sind gratis; bei Photovoltaik gibt es kaum Wartungskosten, bei Wind wenig, bei Wasserkraft etwas mehr – die variablen Kosten sind jedenfalls gering. Diese Erzeuger werden immer dazu neigen, den Strom zu verschleudern, bevor sie die Anlage abdrehen. Das drückt den Preis."

Streckung auf 20 Jahre

Das Ökostromgesetz gehöre dennoch reformiert, und das möglichst rasch. Es sei schlicht nicht mehr zeitgemäß. Bei der Formulierung des bestehenden Ökostromgesetzes seien alle Beteiligten davon ausgegangen, die Strompreise würden steigen und die Anlagen könnten sich nach Auslaufen der auf 13 Jahre garantierten Einspeisetarife selbst tragen. Das sei etwas, das unbedingt repariert gehöre. Püspök plädiert für eine Streckung auf 20 Jahre, wobei man die derzeitige Höhe der Tarife durchaus senken könne, sodass in Summe nicht zwingend eine Mehrbelastung entstehen müsse.

Püspök verweist auch auf anstehende Wahlen und die EU-Präsidentschaft, die Österreich im ersten Halbjahr 2019 übernimmt. Wegen der nötigen Einarbeitung einer neuen Regierung in die europäische Agenda sei zu erwarten, dass es spätestens im Mai oder Juni statt regulär im Herbst 2018 Nationalratswahlen gibt. Vorher und nachher gehe in heiklen Materien wie dieser erfahrungsgemäß nichts weiter, sodass "fünf verlorene Jahre" drohten, sollte das neue Ökostromgesetz nicht bis Mitte 2017 beschlossen werden.

Im Wirtschaftsministerium steht man zu den Plänen, die große Ökostromnovelle ab Herbst zu verhandeln und mehr "Marktelemente" einzubauen. Eine kleine Novelle, die unter anderem eine Anschlussförderung für schwer in Schieflage geratene Biogasanlagen vorsieht, soll es bis Sommer geben. (Günther Strobl, 27.4.2016)