Zugegeben: Es gibt notwendigere Fortbewegungsmittel als einen Daycruiser. Allerdings kaum ein schöneres. Das Design sowie das tiefe Gegrummel des bis zu 800 PS starken, schnittigen Bootstypus hat schon Richard Burton, Fürst Rainier, Axel Springer und Sophia Loren fasziniert. Ganz zu schweigen von Gunter Sachs, der nicht selten mit Brigitte Bardot zwecks Mittagshäppchen seinen Daycruiser an der Mole von St. Tropez anbinden ließ.

Auch der jugoslawische General Tito hätte gern einen solchen Flitzer gehabt, nachdem er die kleinen Luxusschinackln mehrfach in Triest erspähte. Die Partei goutierte dies allerdings mit unfreundlichen Nasenlöchern, woraufhin Tito sich einfach einen Daycruiser nachbauen ließ.

Dieses elegante Mahagoni-Boot aus der Schweizer Boesch-Werft ist ein klassischer Vertreter des Bootstypus Daycruiser
Foto: Beach Boats

Die klassischen hölzernen Daycruiser, allesamt Perlen des Bootsbaus läuteten in den 1960er-Jahren eine neue Ära in der Motorbootwelt ein. "Pleasure Boating" hieß der maritime Müßiggang, also das Herumdüsen ohne eigentlichen Sinn und Zweck. Der Weg von A nach B ist Nebensache. Es geht darum, Bella Figura zu machen und Spaß zu haben. Diese Aufgabe erfüllen die Boote bis heute. Vom Bodensee bis Cannes, von Portofino bis zum Chiemsee tauchen sie auf und erfreuen sich nach Jahrzehnten, in denen vor allem Boote aus Kunststoff gefragt waren, allergrößter Beliebtheit. Dabei ist der Daycruiser in Sachen Größe und Komfort mit anderen Luxusbooten verglichen eine spartanische Nussschale.

Foto: Boesch

Wahrlich, dieser pflegebedürftige Bootstyp, auch "Runabout" genannt, hat außer seiner Power und Schönheit nicht allzu viel zu bieten: Der Daycruiser verfügt üblicherweise über ein geschlossenes Vordeck, eine Handvoll Sitzplätze, natürlich die obligatorische Liegefläche zum Bräuneschinden sowie eine Badeleiter samt Wasserskivorrichtung. Die darf nicht fehlen. Dennoch werden für die Wassercabrios Summen ausgegeben, für die man sich eine Ferienwohnung anschaffen könnte.

Wem es hier zu sehr nach oberflächlicher Zurschaustellung von Bonzentum riecht, der sei eines Besseren belehrt, denn diese äußerst wertbeständigen Pfitschipfeile sind Meisterleistungen der Handwerkskunst. Wie bei den großen Klassikern des Segelsports, ist es auch in diesem Bereich des "Naval-Designs" erstaunlich, welch einzigartige Ästhetik entstehen kann, obwohl der Entwurfsprozess von A bis Z der Zweckmäßigkeit verschrieben ist und Schnickschnack keinen Platz am Reißbrett findet.

Hydrodynamik und Linienführung stehen neben Verarbeitung und Details im Vordergrund. Zum Einsatz kommt gut abgelagertes Holz, bevorzugt wird Mahagoni, wobei der blank polierte, elegante und fugenlose Rumpf und seine bis zu zwölf Lackschichten glänzen wie Sonnenstrahlen im Morgentau. Ganz zu schweigen von den Armaturen, den Ledersitzen und den chromblitzenden Beschlägen. Das Sounddesign der grummelbrummenden Maschinen erledigt ein Übriges, wobei auch der Elektroantrieb in ökotechnisch aufklärerischen Zeiten längst als Alternative zum Sprit zu haben ist.

Luxusschinackl

Den Ursprung dieser Bootsfamilie findet man in der amerikanischen Werft von Chris Craft, in der einst kleine wendige Motorboote gebaut wurden. Von diesen inspiriert, eröffnete Carlo Riva im Jahre 1949 seine Werft am Lago d'Iseo und schuf Daycruiser, die bald schon als Rolls-Royce der Meere bezeichnet wurden und bis heute als Synonym für diesen Bootstyp gelten. Seit dem Jahr 2000 gehört Riva zur Yachtwerft Ferretti, die heute Boote baut, die nur mehr wenig mit den Flitzern von einst gemeinsam haben, für die heute Liebhaberpreise bezahlt werden.

Foto: Boesch

Apropos Preis: Zwischen 135.000 und 610.000 Euro (ohne Steuer) blättert man auch für die klassischen und weltbekannten Schmuckstücke der schweizerischen Bootswerft Boesch hin, deren Daycruiser es in einer Länge von sechs bis zehn Metern, mit Benzinmotor oder Elektroantrieb gibt. Warum die Kundschaft (zu dieser zählten einst die Brüder Sachs oder Romy Schneider) derart tief in die Tasche greift, erklärt Markus Boesch, der die Werft in der vierten Generation im schweizerischen Kilchberg leitet: "Dieses Design spricht die Menschen einfach an, hinzu kommt die Handarbeit und die Umsetzung individueller Wünsche.

All das stellt für viele einen besonderen Wert dar, in einer Welt, die sich sehr schnell und wer weiß wohin dreht. Es geht um eine Referenz und um einen Maßstab. Die Leute wissen, was sie an solch einem Boot haben. Dass wir ein Familienunternehmen sind, trägt das Übrige in Zeiten wie diesen dazu bei."

Flitzer aus Österreich

Nicht nur Kilchberg liegt weit von Cannes und San Remo, auch der Mattsee und der Traunsee sind nicht die ersten Assoziationen, wenn es um den Glamour der Betuchten und Schönen geht. Auch von hier stammen elegante Flitzer, die es in so manche Yachtclubs schaffen, darunter die klassischen Runabouts des seit 1898 bestehenden Familienbetriebs Steiner Nautic am Mattsee oder die modernen Interpretationen der Frauscher Werft in Oberösterreich.

Stefan Frauscher ist immer wieder mit Verwunderung über den Herkunftsort seiner Boote konfrontiert. "Ein Bootshändler aus Italien sagte einmal zu mir: 'Dort oben bei euch kauft man Ski und Speck, aber doch keine Boote.'" Dabei schaffte es eines der Frauscher-Boote sogar in eine CSI-Miami-Folge inklusive der Textzeile eines Polizisten, die lautete: "Er verschwindet auf einer Frauscher 757."

Egal, ob Miami oder der Traunsee, diese Form von Booten bestätigt auf ganz eigene Art und Weise den strapazierten Ausspruch: Der Weg ist das Ziel. Die Höchstgeschwindigkeit mancher dieser Schiffchen liegt auf diesem Weg bei über 100 km/h. Stellt sich also die Frage, wozu das Ganze, da zumindest auf den meisten österreichischen Seen ein Geschwindigkeitslimit von 50 km/h gilt. "Was diesen Punkt betrifft, dürfte auch kein Sportwagen mehr verkauft werden", sagt Stefan Frauscher knapp. Abgesehen davon: Kein Sportwagen grummelt so schön wie etwa das Modell "Portofino de Luxe" aus dem Hause Boesch. (Michael Hausenblas, RONDO, 5.5.2016)