"Wenn wir eine derart auf die Rübe bekommen, müssen wir radikal über alles reden", sagt Peter Kaiser über den Zustand der SPÖ nach der Präsidentenwahl.

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STANDARD: Nur noch elf Prozent für die ehemalige Großpartei SPÖ. Was jetzt?

Peter Kaiser: Es ist schlicht ein Desaster, die schlimmste Niederlage, seit ich politisch aktiv bin. Und das ist auch schon 40 Jahre her. Hier ist eine Riesenunzufriedenheit gegen die Regierung abgeladen worden, gepaart mit der alles überlappenden Asylproblematik und den damit verbundenen Sicherheitsfragen, den Sorgen um den Arbeitsplatz und die Angst um einen Wohlstandsverlust. Die Bundespräsidentenwahl war da eine sehr willkommene Gelegenheit, weil sie ja an sich eine Persönlichkeitswahl war und weniger gesamtpolitische Veränderungen auf dem Spiel standen. Wir müssen jetzt zeigen, dass es für die SPÖ einen Weg zwischen Humanität, internationalen Verpflichtungen und der Sicherheit gibt. Die FPÖ wird immer weiter lizitieren. Da müssen wir klarmachen, dass die Position der FPÖ, dass niemand mehr reinkommt, ebenso absurd ist wie die Vorstellung von total offenen Grenzen.

STANDARD: Seit den späten 1980er-Jahren, seit die FPÖ bei Wahlen in rote Arbeiterhochburgen einbricht, werden in der SPÖ regelmäßig Reformen eingefordert. Immer wieder ist dann von einem Neubeginn die Rede. Warum sollte er ausgerechnet diesmal gelingen?

Kaiser: Es bleibt uns jetzt ja nichts anderes übrig. Wenn wir eine derart auf die Rübe bekommen, müssen wir radikal über alles reden, wir müssen unsere Lage ohne Tabus besprechen.

STANDARD: Die entscheidende Frage in der SPÖ ist doch, wer sich durchsetzen wird? Die Ideologen oder die Machtpolitiker, die, um an der Macht zu bleiben, notfalls auch mit der FPÖ koalieren wollen.

Kaiser: Wenn die SPÖ jetzt glaubt, nur auf eine der beiden Varianten schielen zu können, wird sie totalen Schiffbruch erleiden. Wir müssen beides verbinden und natürlich auch danach trachten, dass wir als Partei eine gestaltende politische Kraft bleiben. Was es dem Land gebracht hat, als ÖVP und FPÖ regierten und die SPÖ in Opposition war, haben wir ja gesehen. Darunter leiden wir in Österreich noch heute.

STANDARD: Soll die SPÖ eine Wahlempfehlung abgeben und wen werden Sie im zweiten Wahlgang wählen?

Kaiser: Ob es einen Sinn macht, dass die Partei eine Empfehlung abgibt, da bin ich mir nicht so sicher. Ich persönlich werde Alexander Van der Bellen wählen. (Walter Müller, 26.4.2016)