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Eine Ergotherapeutin hilft einem Schlaganfall-Patienten bei einer Übung zur Verbesserung der Schreibmotorik. Bei Schlaganfällen verlieren die Menschen mitunter die Fähigkeit zu Schreiben.

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Bei einem Schlaganfall entsteht in 85 Prozent der Fälle ein Blutgerinnsel in einem Gehirngefäß. Seit einigen Jahren werden diese Gerinnsel bei einer so genannten Thrombolyse mit Medikamenten aufgelöst. Dadurch können größere Schäden im Gehirn und damit auch bleibende Invalidität verhindert werden.

Bei einem Gefäßverschluss in einem großen Blutgefäß reicht die medikamentöse Therapie jedoch nicht aus. In solchen Fällen wird das Blutgerinnsel bei einer so genannten Thrombektomie mechanisch entfernt. Pro Jahr könnten in Österreich von dieser wirksamen Behandlung etwa 1.500 Patienten profitieren, durchgeführt werden allerdings weit weniger.

"In fünf von einander unabhängig im New England Journal of Medicine im ersten Halbjahr 2015 publizierten Studien hat man gesehen, dass die 'Thrombektomie' überlegen ist. Das wirft gesundheitspolitische Fragen auf. In Österreich gibt es derzeit elf Zentren, die eine solche Behandlung durchführen können", sagt Johannes Trenkler, Vorstand des Instituts für Neuroradiologie des Kepler Universitätsklinikums Linz.

25.000 Schlaganfälle pro Jahr

In Österreich erleiden pro Jahr rund 25.000 Menschen einen Schlaganfall. "Rund 1.500 Patienten könnten von der 'Thrombektomie' profitierten", sagt Trenkler. Wahrscheinlich seien in Österreich vergangenes Jahr zwischen 700 und 800 solcher Eingriffe durchgeführt worden.

Bei der mechanischen Gerinnselentfernung wird über die Leistenarterie ein Mikrodraht bis ins Gehirn und an den Ort des Schlaganfalls eingeführt. Dann schiebt der interventionelle Radiologe einen Mikrokatheter über den Draht nach vorn. Durch dieses Röhrchen wird dann ein feines Drahtgeflecht-Gitter eingeführt, das den Thrombus umfängt. Er wird dann mit diesem "Stent" aus dem Gehirn herausgezogen und damit beseitigt. Die Blut- und Sauerstoffversorgung wird damit wieder hergestellt.

"Die Voraussetzung ist eine rasch und exzellent funktionierende Rettungskette. Eine Full-Time interventionelle Radiologie ist der Schlüssel zum Erfolg", sagt Florian Wolf von der Abteilung für kardiovaskuläre und interventionelle Radiologie am Wiener AKH.

Zeitfenster: sechs Stunden

Das Zeitfenster vom Auftreten der ersten Symptome bis zur Therapie beträgt derzeit – ähnlich wie bei der Thrombolyse – höchstens sechs Stunden. An dem jeweiligen Zentrum müssen 24 Stunden an sieben Tagen der Woche eine neurologische Abteilung mit Stroke Unit, eine interventionelle Neuroradiologie (CT, MR, Kathetereinricht), eine intensivmedizinische Betreuung und eine Neurochirurgie vorhanden sein. Man rechnet für den Betrieb einer Einheit für die Thrombektomie nach einem Schlaganfall mit notwendigen fünf speziell ausgebildeten interventionell tätigen Neuroradiologen. "Hier laufen Gespräche mit den Krankenhausträgern, um die Ausbildung und die Dienste zu gewährleisten", sagt Trenkler.

Im Grunde genommen müsste die Organisation der Zentren für diese Kathetereingriffe bei Schlaganfall auf dem gut etablierten System der Stroke Units in Österreich aufsetzen. Dort gibt es rund um die Uhr die Möglichkeit zu CT- und MR-Untersuchungen zur schnellen Diagnose. Eine medikamentöse Gerinnselauflösung kann dort erfolgen. Für die Thrombektomie in Frage kommende Patienten müssten dann schnellstens in eines der Zentren für interventionelle Neuroradiologie gebracht werden.

Das erhöht insgesamt natürlich die Komplexität der Abläufe. Denn genauso wie beim akuten Herzinfarkt mit dem bereits alten Spruch "Time is Muscle" (Zeit ist Muskel) heißt es beim Schlaganfall – zeitmäßig noch dringlicher – "Time is Brain" (Zeit ist Hirn). Pro Stunde Sauerstoffmangelversorgung im Gehirn gehen nämlich 120 Millionen Gehirnzellen zugrunde. Der Schaden wird mit jeder Minute größer. (APA, 25.4.2016)