Rund eine Stunde lang konnte Irmgard Griss am Sonntagnachmittag hoffen, es in die Stichwahl gegen den schon von der ersten Hochrechnung an klar vorne liegenden FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer zu schaffen. Denn zu Beginn lagen die unabhängige Kandidatin und ihr wichtigster Kontrahent im Kampf um Platz zwei, der ehemalige Grünen-Bundessprecher Alexander Van der Bellen, in den ersten Auszählungsergebnissen so knapp beisammen, dass für beide die Stichwahl in realistischer Griffweite lag.

Doch im Lauf des Wahlabends zog Van der Bellen schließlich an der pensionierten Präsidentin des Obersten Gerichtshofs uneinholbar vorbei. Selbst die Stimmen der Briefwähler können daran nichts mehr ändern. Für Griss bleiben 19 Prozent (ohne Briefwahlstimmen) – so viel Zustimmung hat ein unabhängiger Hofburg-Bewerber noch nie bekommen.

Hoffen auf "Griss-Partei"

Und jetzt? Schluss mit der politischen Kurzzeitkarriere von Griss? Nicht unbedingt. Die Kandidatin selbst hielt sich Sonntagabend zwar noch vorsichtig zurück, sagte aber bei ihrer Wahlparty auch: "Es gibt noch so viel, was ich noch tun kann. Ich werde sehen, wie ich die Bewegung auf irgendeine Weise vielleicht weiterführen kann."

In ihrer Fangemeinde hoffen viele, dass Irmgard Griss weitermacht. Eine begeisterte Griss-Anhängerin träumte bei der Wahlparty schon ganz offen von einer "Griss-Partei".

Neos-Chef Strolz: Sind mit Griss im Gespräch

Von der jüngsten Parteineugründung im Parlament, den Neos, hatte Griss klare Unterstützung im Wahlkampf bekommen. Die Partei begrüßte sowohl das Antreten von Griss als auch von Van der Bellen – nahm allerdings eine Reihung vor, und in dieser wurde Irmgard Griss favorisiert.

Am Wahlabend sagte Parteichef Matthias Strolz über ein etwaiges Angebot an Griss: "Es ist zu früh, darüber heute zu reden, aber wir sind im Gespräch und werden das auch in Zukunft sein." Die nähere Zukunft ist für ihn klar. Mit Blick auf die Stichwahl sagte er: "Ich ziehe meinen Hut vor Irmgard Griss, sie hat Unglaubliches in diesem Wahlkampf geleistet. Wir haben immer gesagt, dass unsere zweitliebste Variante Alexander Van der Bellen heißt. Auch er steht für Europa und dafür, das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen." (red, 24.4.2016)