Schwarz und Rot erzielten in den von ihnen regierten Bundesländern katastrophale Ergebnisse. Außer in der Bundeshauptstadt lag am Sonntag überall FPÖ-Kandidat Norbert Hofer an der Spitze

SPÖ-Blamage in Wien, Van der Bellen bleibt vor Hofer

In Wien erreicht Alexander Van der Bellen 32 Prozent, der Grüne bleibt vor dem blauen Wahlsieger Norbert Hofer. Rudolf Hundstorfer schafft in der einstigen roten Bastion blamable 12,3 Prozent. Andreas Khol unterbietet die Stadt-ÖVP klar: 5,7 Prozent.

"Wähler-Watsch’n für Rot und Schwarz"

In den roten und schwarzen Zirkeln in Wien blickte man in entsetzte Gesichter, die Wiener Freiheitlichen waren hingegen nach dem Durchsickern erster Ergebnisse aus den anderen Bundesländern schon am frühen Nachmittag in aufgelöster Jubelstimmung. Wiens Vizebürgermeister Johann Gudenus sprach von einem "historischen Ergebnis". Hofer sei ohne Maulkorb aufgetreten und habe so bei den Wählern punkten können. Der Ausgang sei aber auch "eine gesunde Wähler-Watsch’n für Rot und Schwarz", sagte er dem STANDARD. "Die müssen sich jetzt echt etwas überlegen." In Wien schnitt Hofer aber mit 29,3 Prozent unterdurchschnittlich ab.

Blamage für Hundstorfer

Den Sieg in der Hauptstadt holte sich Alexander Van der Bellen, der 32 Prozent der Stimmen für sich verbuchen konnte. Rudolf Hundstorfer, der in der SPÖ Floridsdorf beheimatet ist, ging in der einstigen roten Bastion unter. Er erreichte abgeschlagen hinter Irmgard Griss (19 Prozent) nur blamable zwölf Prozent und damit den vierten Platz. Selbst in Floridsdorf schaffte Hundstorfer keine 15 Prozent, Hofer gewann hier mit 39,9.

Andreas Khol schaffte das Kunststück, die Stadt-Schwarzen noch zu unterbieten, die bei der Gemeinderatswahl im vergangenen Oktober 9,2 Prozent erreichten. Khol wurde von nicht einmal sechs Prozent gewählt.

"Das wird ein Wahlkampf zwischen Hofer-Hetze und der Hoffnung", sagte der Klubobmann der Wiener Grünen, David Ellensohn, zur Stichwahl zwischen Hofer und Van der Bellen am 22. Mai. Die Blauen hätten sich am Sonntag für die Startaufstellung einen Vorsprung erarbeitet. "Aber die Aufholjagd beginnt jetzt." Mit Van der Bellen wolle man "verhindern, dass Österreich orbánisiert wird". Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou sagte: "Jetzt ist alles offen."

Häupl sieht "Debakel" für SPÖ

Bürgermeister Michael Häupl sprach von einem roten "Debakel" und zeigte sich "tief betroffen". Es müsse Konsequenzen geben, "aber sicher keine personellen". Der schwankende Asylkurs der SPÖ sei nicht Grund für die deutliche Wahlniederlage, sagte Häupl. Eine Wahlempfehlung für die Stichwahl wollte der Stadtchef nicht aussprechen, diese würde aber auf der Hand liegen.

Der sozialistische Nachwuchs forderte hingegen eine personelle Neuaufstellung. Die Wähler "haben nicht Rudolf Hundstorfer, sondern Faymanns politischen Kurs abgestraft", sagte Julia Herr, Chefin der Sozialistischen Jugend (SJ). Das Wahlergebnis sei Resultat von Faymanns Politik, "die FPÖ-Forderungen übernimmt und umsetzt". (David Krutzler)

Foto: APA/HERBERT P. OCZERET

Wenig schwarzes ÖVP-Kernland Niederösterreich

Nach der Absage von Landeshauptmann Erwin Pröll als Hofburgkandidat hatte die niederösterreichische Volkspartei Andreas Khol ihre Unterstützung zugesichert. Doch viel nützten ihm von der Landespartei extra angemietete Plakatflächen und die Wahlkampfevents nicht. Nur in wenigen Orten des mit absoluter schwarzer Mehrheit regierten Bundeslands erhielt er laut vorläufigem Ergebnis mehr Stimmen als alle anderen: etwa in Weitersfeld, Langau und Japons (Bezirk Horn). Selbst in Prölls Heimatgemeinde Ziersdorf lag Norbert Hofer klar vorne. Ingesamt gaben Khol 14,1 Prozent der Wähler in Niederösterreich ihre Stimme.

Mehr als jeder Dritte wählte FPÖ-Kandidat Hofer. Er sicherte sich in den meisten der 573 Gemeinden und in allen Bezirken Platz eins – in einigen Orten auch die absolute Mehrheit: etwa in Blumau-Neurißhof und in Rabensburg. Viele Städter wählten auch blau: Der FP-Kandidat bekam in St. Pölten (31,8 Prozent), Traiskirchen (40,8 Prozent), Schwechat (40,1 Prozent) und Waidhofen an der Ybbs (32,3 Prozent) – der Heimatstadt von Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) – die meiste Zustimmung. Im schwarz-grün-pink regierten Baden schaffte er es knapp vor Van der Bellen.

Grüner Speckgürtelteil

Letzterer war im Speckgürtel – vor allem im Westen – klar stärker als im weiten Land: Der Grünen-unterstützte Kandidat konnte etwa in Purkersdorf, Klosterneuburg, Tullnerbach und Perchtoldsdorf die meisten Stimmen holen. Irmgard Griss siegte in Gaaden und in der Hinterbrühl vor Van der Bellen. Im vorläufigen Landesergebnis liegt sie mit 17,3 Prozent knapp hinter ihm (17,6 Prozent). SP-Kandidat Rudolf Hundstorfer gaben 11,8 Prozent der Niederösterreicher ihre Stimme. In St. Pölten, wo vorigen Sonntag die Roten bei der Gemeinderatswahl die Absolute ausbauten, gelangte er auf Platz vier.

Für Walter Rosenkranz von der FPNÖ ist das Wahlergebnis ein "Sensationserfolg". Für Pröll kam es "schon überraschend" – es sei "Höhepunkt einer Entwicklung, die viele seit langem spüren". Die Landes-SP gab eine klare Wahlempfehlung für Van der Bellen ab. Die Grünen wollen "mutig in die neuen Zeiten" gehen. (Gudrun Springer)

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Blauer Siegeszug durch die Steiermark

In der ehemals roten Obersteiermark konnte die FPÖ auch am Sonntag ihre Erfolge ausbauen – etwa in einst traditionell roten Arbeiterstädten wie Bruck an der Mur: Mit 40 Prozent räumte FPÖ-Kandidat Norbert Hofer hier ab. Im gesamten Bezirk Bruck-Mürzzuschlag kam Hofer auf mehr als 41 Prozent. Insgesamt erlangte er in der Steiermark mehr als 40 Prozent.

Doch die größten Erfolge konnte Hofer im Süden des Landes erzielen: In Gemeinden an der slowenischen Grenze, wie Eibiswald oder Oberhaag, gaben mehr als 50 Prozent dem blauen Kandidaten ihre Stimme. In Leutschach an der Weinstraße 47, in Ehrenhausen 49 Prozent. Auch in Straß-Spielfeld votierten mehr als 48 Prozent für Hofer. "Hier hat sicher das Asylthema die größte Rolle gespielt", sagt die Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle im Gespräch mit dem STANDARD. Doch der blaue Siegeszug habe sich "ja schon bei der Landtagswahl letztes Jahr abgezeichnet, so Stainer-Hämmerle, die es erstaunlich findet, "dass ÖVP und SPÖ das nicht ernster genommen haben". Die SPÖ erreichte nur mehr etwas mehr als zehn Prozent in der gesamten Steiermark, die ÖVP blieb sogar knapp unter zehn Prozent.

"Zorn und Ärger sind für mich keine Kategorien", sagt der steirische SPÖ-Chef Michael Schickhofer dem STANDARD, "aber nach diesem Ergebnis kann man nix mehr herumdeuteln. Faymann und Mitterlehner müssen jetzt schauen, dass sie noch etwas zusammenbringen, sonst haben wir 2018 ein Problem, und ich will kein Problem haben." Das Ergebnis sei eine "absolute Katastrophe", so Schickhofer, er wolle mit den SPÖ-Chefs aller Bundesländer alles konsequent durchdiskutieren und dann einen "grundlegenden Neustart am Parteitag im Herbst machen". 2018 wolle Schickhofer "in der Regierung sein oder in einer starken Opposition". Dafür müsse man "mit allen im Parlament vertretenen Parteien reden – "auch mit der FPÖ, wenn wir mit denen in Fachbereichen wie Arbeitsmarkt und Lehrlingen mehr weiterbringen". Ob Schickhofer den Rücktritt von Faymann fordern werde? "Wir müssen alles konsequent durchdiskutieren", wiederholt Schickhofer.

Der große Ausreißer in der Steiermark war die Landeshauptstadt. Nur in Graz belegte Alexander Van der Bellen den ersten Platz. Für Irmgard Griss war wiederum die Gemeinde Stattegg nahe Graz ihr persönlicher Ausreißer. Hier wurde die Grazerin mit 29,49 Prozent Erste. Im Gesamtergebnis der Steiermark wurde Griss mit 21 Prozent Zweite. (Colette M. Schmidt)

Foto: APA/ERWIN SCHERIAU

Kärnten ist schon wieder blau

Auch in Kärnten konnte die FPÖ ein Ergebnis einfahren, wie man es nur aus den Zeiten Jörg Haiders kannte. Mit 40 Prozent bekam Norbert Hofer fast doppelt so viele Stimmen wie die Zweitplatzierte Irmgard Griss. Nur 13,6 Prozent wählten Alexander Van der Bellen.

SPÖ-Kandidat Rudolf Hundstorfer bekam nur 13,5 Prozent der Stimmen. Bei der letzten Landtagswahl war die SPÖ unter Landeshauptmann Peter Kaiser noch klar auf Rang eins gelegen. Kaiser sprach von der "schmerzlichsten Niederlage, an die ich mich bei Bundespräsidentenwahlen erinnern kann". Die Flüchtlingsdebatte habe alle anderen Themen in den Hintergrund gedrängt, und das werde wohl auch längere Zeit so bleiben. Ob Rudolf Hundstorfer der falsche Kandidat gewesen sei und die Bundes-SPÖ Fehler gemacht habe, wollte er nicht kommentieren: "Wir gewinnen gemeinsam, und wir verlieren gemeinsam."

Nur in den Gemeinden Eisenkappel-Zellach und Zell – beides Gebiete der Kärntner Slowenen und traditionell von Kleinbauern besiedelt – lag der SPÖ-Kandidat klar an erster Stelle. Für die Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle ist das Kärntner Ergebnis "viel erstaunlicher als das steirische". Ist das Land mit der ehemaligen Haider-Partei wieder ausgesöhnt? "Man darf das Gedächtnis der Wähler nicht überstrapazieren", sagt Stainer-Hämmerle, "und offenbar konnte man mit dem Wechsel an der Kärntner FPÖ-Spitze vor wenigen Tagen doch neue Weichen stellen." Die ÖVP erreichte nur 6,8 Prozent. (Colette M. Schmidt)

Foto: APA/HERBERT PFARRHOFER

Letztlich half nicht einmal die in den letzten Wochen insbesondere im Mühlviertel mehrfach öffentlich kredenzte Kohlsuppe mit Schwarzbrot: ÖVP-Kandidat Andreas Khol kassierte im schwarzen Kernland Oberösterreich mit nur 13,4 Prozent und damit dem vierten Platz eine deftige Niederlage. Die Suppe muss nun die Landespartei selbst auslöffeln – und dort ist man hörbar verstimmt. "Es ist eine bittere Niederlage. Aber es hat bei den Wahlen zu viele Kandidaten aus dem bürgerlichen Lager gegeben. Kohl und Griss haben die gleiche Deckungsfläche", glaubt Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP). Mit Neuwahlen rechnet Pühringer nicht. "Und ich werde auch nicht das Ende der Großparteien einleiten." Kommt aber eine schwarze Obmann-Debatte? Pühringer: "Ich hoffe nicht."

In der roten Parteizentrale schmeckte das vorläufige Endergebnis nicht minder bitter. Rudolf Hundstorfer wurde auch in Oberösterreich mit nur 11,4 Prozent Vorletzter. Für SPÖ-Landeschef Johann Kalliauer "ein Ergebnis, das sehr schmerzt". Hundstorfer habe einen sachlichen und seriösen Wahlkampf geführt. "Ich sehe aber keinen Grund für Neuwahlen im Bund."

Die Farbe der Freude war an diesem Wahlsonntag in Oberösterreich eindeutig Blau. FPÖ-Kandidat Norbert Hofer sicherte sich mit 36,4 Prozent souverän den ersten Platz. "Ich bin einfach überwältigt, es ist eine Zeitenwende eingeleitet", zeigte sich FPÖ-Chef Manfred Haimbuchner hörbar zufrieden. Dahinter wurde es, ganz dem Bundestrend entsprechend, extrem knapp. Alexander Van der Bellen konnte sich aber vorerst mit 19,4 Prozent den zweiten Platz vor Imgard Griss (17,4 Prozent) sichern. "Alexander Van der Bellen wird es schaffen. Jetzt beginnt der Wahlkampf neu", ist die grüne Landeschefin Maria Buchmayr überzeugt. Die rote Laterne trägt auch in Oberösterreich mit zwei Prozent Richard Lugner. (Markus Rohrhofer)

Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Rot-blaues Land nun fest in blauer Hand

Im Eisenstädter Landhaus, wo man sich an Wahltagen normalerweise tummelt, sich zur ersten Hochrechnung in fototaugliche Jubelposen zu werfen, war es diesmal auffallend still. Man hat sich getummelt, wegzukommen vom Landhaus. Nur in der Raucherinsel des FPÖ-Klubs drängten sich die Wahlsieger. Aber selbst die waren weniger triumphalistisch als baff. "Mit dieser Deutlichkeit", sagt einer, "hat keiner von uns gerechnet."

Norbert Hofer, der Südburgenländer, der in Eisenstadt als FPÖ-Mandatar im Gemeinderat und im Landtagsklub als Direktor saß, kam im Burgenland auf 43 Prozent der Stimmen. "Sensationell", sagt FPÖ-Landeshauptmann-Vize Johann Tschürtz, "teils war er ja über der Absoluten."

Und wie: In seiner Heimatgemeinde Pinkafeld – eine aktuell rote Gemeinde, in der die FPÖ bei der Gemeinderatswahl 2012 auf gerade einmal fünf Prozent gekommen ist – erreichte Norbert Hofer 60,4 Prozent. Auf Platz zwei Alexander Van der Bellen mit 13 Prozent.

Natürlich war da auch so was wie ein Heimatbonus für Hofer zu lukrieren. Das so überdeutliche Wahlergebnis nicht nur hier erklärt sich aber wohl eher durch den Blick in andere Gemeinden. Im tiefroten Nickelsdorf kam der blaue Kandidat auf 43 Prozent, im ebensolchen südburgenländischen Heiligenkreuz auf fast 55.

Beide Gemeinden waren im vergangenen Jahr sogenannte Hotspots in der Flüchtlingskrise. Freilich: Die schwarze Landeshauptstadt Eisenstadt war das nicht, dort stimmten 36 Prozent für Hofer, 21 für Van der Bellen.

SPÖ und ÖVP streuen sich – genauer: den jeweiligen Bundesparteilern – Asche aufs Haupt. Der rote Landesgeschäftsführer Helmut Schuster liest aus dem Wahlergebnis heraus, "auf Regierungsebene muss sich was ändern, wir müssen endlich anpacken, was die Menschen bewegt".

Fast wortgleich sein schwarzes Pendant Christoph Wolf. Er plädiert "für eine radikale Änderung der Linie der Bundes-ÖVP. Es darf keine faulen Kompromisse mehr geben. Wir müssen wieder mehr Rücksicht darauf nehmen, was die Leute wirklich bewegt."

Zur Kritik gab es allen Grund. Im roten Kern-Landerl kam Rudolf Hundstorfer auf magere 17,5 Prozent (Schuster: "Bei der Landtagswahl war es umgekehrt, da sind wir mit 42 Prozent herausgegangen und die Blauen mit 15"), Andreas Khol erreichte knapp 13.

Genauso viel verbuchte Alexander Van der Bellen. Die grüne Landeschefin Regina Petrik hofft nun auf die Stichwahl, um ihren Landsmann Hofer doch noch zu verhindern, "der eine Linie der Spaltung fährt". (Wolfgang Weisgram)

Foto: APA/Fohringer

Salzburg folgt dem blauen Bundestrend

Auch wenn es für das ganze Land betrachtet nicht ganz so extrem aussah – der südlichste Bezirk, der Lungau, hat die Tendenz des Gesamtsalzburger Ergebnisses aber am deutlichsten gezeigt. Hier holte FPÖ-Mann Norbert Hofer mit 49,1 Prozent beinahe die Absolute. Auf Platz zwei Andreas Khol – 18 Prozent und nicht einmal die Hälfte des blauen Hofer.

Selbst in der Landeshauptstadt, traditionell eine Hochburg der Grünen und für die FPÖ ein Problemwahlkreis, reüssierte Hofer mit 32 vor Alexander Van der Bellen mit 27,3 Prozent.

Insgesamt entspricht das Ergebnis in Salzburg nach den Hochrechnungen in etwa dem Bundestrend. Hofer führt mit einem Stimmenanteil von 38,7 Prozent, weit abgeschlagen Van der Bellen mit 18,5 und Irmgard Griss mit 17,4 Prozent. Detail am Rande: Van der Bellen hat damit am Sonntag weniger Prozentpunkte erreicht als die grüne Landespartei bei den Landtagswahlen 2013, die damals über 20 Prozent geschafft hatte.

ÖVP-Landesparteigeschäftsführer Wolfgang Mayer führt das "enttäuschende Abschneiden" des ÖVP-Kandidaten auch auf die Bundesregierung zurück. Der Wahlkampf sei so gelaufen, dass der Präsident als "Korrektiv zur Regierung" gesehen wurde. Zudem habe sich das bürgerliche Lager diesmal "kannibalisiert". Ähnlich beurteilt auch der Salzburger SPÖ-Vorsitzende Walter Steidl den Durchmarsch von Hofer. Das Ergebnis sei eine Reaktion des Wählers auf die "Ohnmacht der Regierung in wichtigen Fragen". Die Kandidaten von SPÖ und ÖVP hätten dies "personifiziert ausbaden müssen". In der Flüchtlingspolitik beispielsweise sei ein Dreivierteljahr nichts geschehen, der Schwenk der Sozialdemokratie nach rechts habe nichts gebracht.

Einen Rekord verzeichnete man auch in Salzburg bei den Wahlkarten: Für rund 390.000 Wahlberechtigte wurden 36.000 Wahlkarten ausgegeben, bis Montagabend dürfte also noch das eine oder andere Prozent wandern. Die Wahlbeteiligung lag in Salzburg bei etwa 70 Prozent. (Thomas Neuhold)

Foto: APA/BARBARA GINDL

Das Vorarlberger Ergebnis, zumindest das von Alexander Van der Bellen, hätte sich der Vorarlberger Grünen-Sprecher Johannes Rauch für ganz Österreich gewünscht. 27,7 Prozent machte der Professor im westlichsten Bundesland, in Bregenz und Feldkirch überholte er Norbert Hofer mit über 30 Prozent. Beim vorläufigen Endergebnis trennen den ehemaligen Klubobmann der Grünen und FPÖ-Wahlsieger Hofer nur 3,6 Prozentpunkte. Hofers Vorsprung könnte sich nach Auszählung der Wahlkarten, hier punkten erfahrungsgemäß die Grünen, noch verringern.

Ähnlich wie Van der Bellen schnitt auch die unabhängige Kandidatin Irmgard Griss in Vorarlberg überdurchschnittlich stark ab. Sie kam auf 23,8 Prozent. Praktisch nicht existent ist die SPÖ im westlichsten Bundesland. Mit 4,4 Prozent sammelte Rudolf Hundstorfer nur doppelt so viele Stimmen wie Baumeister Richard Lugner. Parteichef Michael Ritsch sah die Katastrophe bereits am Sonntagmittag kommen. Ritsch zum STANDARD: "Hundstorfer war ein guter Sozialminister, das hätte er bleiben sollen."

Volkspartei abgestürzt

Noch nie fuhr ein Präsidentschaftskandidat der Volkspartei ein so schlechtestes Ergebnis in Vorarlberg ein wie Andreas Khol. Der langjährige Seniorenbundchef kam nur auf 10,6 Prozent. In keiner der fünf Städte schaffte er die Zehn-Prozent-Marke. Bei den bisherigen Bundespräsidentenwahlen bekamen die ÖVP-Kandidaten in aller Regel 50 bis 60 Prozent der Stimmen. Lediglich Thomas Klestil kam 1992 im ersten Wahlgang 43 Prozent. Khol unterbot das bisher schwächste Ergebnis also um satte 32,4 Prozentpunkte.

"Da gibt es gar nichts zu beschönigen", kommentierte VP-Chef Markus Wallner das Ergebnis.

Den entscheidendsten Grund für das Wahlergebnis sieht Landeshauptmann Wallner in der "sicherlich nach wie vor großen Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der Arbeit der Bundesregierung." Weitere Gründe für das schlechte Abschneiden sind für ihn "die Zersplitterung des bürgerlichen Lagers, ein holpriger Wahlkampfstart für die ÖVP aber auch die politische Großwetterlage insgesamt". Die Stimmung in der Bevölkerung sei durch die Flüchtlingsbewegung nach wie vor eher angespannt.

Zwei grüne Städte

Van der Bellen verdankt Platz zwei vor allem dem guten Abschneiden in den Städten und größeren Kommunen. In Bregenz und Feldkirch überholte er Hofer, der vor allem in den kleinen Gemeinden im Revier der Volkspartei wilderte. Irmgard Griss musste sich in allen Städten mit Platz drei begnügen, schaffte aber in Kleingemeinden respektable Ergebnisse. So gewann sie in Lech mit 37,4 Prozent der Stimmen vor Van der Bellen (25,5) und Norbert Hofer (18,5). Hofer holte sich seine besten Ergebnisse im Montafon, in St. Gallenkirch und Gaschurn kam er auf 44.1 Prozent.

Die Wahlbeteiligung lag mit 47,7 Prozent deutlich höher als 2010. Vor sechs Jahren gingen nur 37,7 Prozent zur Wahl. (Jutta Berger)

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Zumindest in Namlos ist Tirol noch Tirol: In dem 90-Seelen-Ort im Bezirk Reutte wurde nämlich mehrheitlich schwarz gewählt. ÖVP-Kandidat Andreas Khol kam dort auf 72,41 Prozent der Stimmen. Ansonsten sah es selbst in dem tiefschwarzen Bundesland nicht gut aus für die Volkspartei. Auf FPÖ-Kandidat Norbert Hofer fielen landesweit – ohne Briefwahl-Ergebnisse – 36,75 Prozent der Stimmen ab. Er ist damit auch in Tirol der klare Wahlsieger. In 15 Gemeinden erreichte er sogar die Absolute.

Tirols schwarzer Landesgeschäftsführer Martin Malaun sprach ob des Ergebnisses von einem Erdrutsch. "Es schaut nach einer politischen Zeitenwende aus. Was das genau heißt, wird man wohl erst in einigen Tagen beurteilen können", erklärte er. Landeshauptmann Günther Platter meint, die "Politik des Stillstands" auf Bundesebene müsse ein Ende haben.

Die große Ausnahme stellt Innsbruck dar: Dort wurde der von den Grünen unterstützte Alexander Van der Bellen mit 32,61 Prozent der Stimmen Erster vor Hofer, landesweit kann er für sich immerhin den zweiten Platz verbuchen. Auf exakt 60 Prozent der Stimmen kam Van der Bellen in der Gemeinde Kaunertal, wo er aufwuchs. Hofer wurde dort hinter Khol bloß Dritter.

Ganz schwer hatte es in Tirol SPÖ-Kandidat Rudolf Hundstorfer. Abgeschlagen findet man seinen Namen an fünfter Stelle (6,1 Prozent der Stimmen). In rund dreißig Tiroler Gemeinden lag er sogar hinter Richard Lugner. SPÖ-Landeschef Ingo Mayr spricht von einer "bitteren Niederlage" für die Bundespartei. (Katharina Mittelstaedt)

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