Die Stadt Wien kritisiert an der Asylnovelle, dass "Ereignisse des vergangenen Jahres bereits als Anwendungsfall für den Erlass einer Notstandsverordnung der Bundesregierung" beschrieben würden.

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Wien – Die Wiener Stadtregierung spricht sich in ihrer Stellungnahme zur Novelle des Asylgesetzes gegen die geplanten "Notstandsrechte" der Bundesregierung aus. Zwar würden "keine generellen Vorbehalte" gegenüber Regelungen bestehen, die der öffentlichen Sicherheit und inneren Ordnung aufgrund einer "konkreten Flüchtlingssituation" dienen. Diese dürften aber "im Unterschied zum vorliegenden Entwurf nur als ultima ratio ausgestaltet sein".

Am Donnerstag endete die Begutachtungsfrist zu dem bereits im Vorfeld stark kritisierten Gesetzesentwurf. In der Wiener Stellungnahme, die dem STANDARD vorliegt, kritisiert die Stadt die in den Erläuterungen zum Gesetzesentwurf angeführten Gründe, die eine Notverordnung zulassen. Hier würden die "Ereignisse des vergangenen Jahres bereits als Anwendungsfall für den Erlass einer Notstandsverordnung der Bundesregierung beschrieben", heißt es darin.

Dadurch werde die Annahme zugelassen, dass die Voraussetzungen für die Außerkraftsetzung bereits erfüllt seien. Davon könne aber laut der Stadt "keine Rede" sein. Das Erlassen einer Verordnung in der jetzigen Situation würde "dem Sachlichkeitsgebot des Gleichheitssatzes sowie den unionsrechtlichen Vorgaben" widersprechen.

"Gibt Konsens, dass kein Notstand vorliegt"

Dazu komme, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs die Gefährdung der öffentlichen Ordnung eine "tatsächliche und erhebliche Gefahr" voraussetze, die ein "Grundinteresse der Gesellschaft berührt". Die Erläuterungen der Bundesregierung ließen den Schluss zu, dass bereits ein Notstand vorliege.

"Es handelt sich um eine extreme Verschärfung, die die Grundpfeiler der Menschenrechte aushebelt", sagt die grüne Menschenrechtssprecherin und Gemeinderätin Faika El-Nagashi zu dem Gesetzesentwurf. Es gebe einen Konsens, dass derzeit kein Notstand vorliege. Die in den Erläuterungen beschriebenen Situationen hätten "keine Elemente des Notstands". Die aktuelle Situation sei eine massive Herausforderung für die EU, die Arbeitsmarktsituation in Österreich ein ernstzunehmendes Problem. Diesem müsse man aber ohne Notstandsgesetz begegnen. Wien etwa habe das durch die Novelle der Bauordnung gemacht.

Wehsely: Erwarte, dass Stellungnahme berücksichtigt wird

Abgesehen von der Frage, wann überhaupt ein Notstand vorliege, würden im Gesetzesentwurf auch die "näheren Ausführungen zur Gültigkeitsdauer" der Verordnung fehlen, heißt es in der Wiener Stellungnahme. Diese seien im Hinblick auf die "weitreichende Auswirkung" der Notstandsverordnungen aber "unbedingt notwendig, um eine verhältnismäßige Vorgangsweise zu begründen".

"Ich erwarte, dass die Wiener Stellungnahme Berücksichtigung findet", sagt Sonja Wehsely (SPÖ) zum STANDARD. Die Sozialstadträtin hatte sich bereits in den vergangenen Wochen gegen die Asylnovelle ausgesprochen. "Ich bin stark davon überzeugt, dass derzeit weder die öffentliche Sicherheit gefährdet ist, noch dass das droht", erklärte Wehsely im STANDARD-Interview.

UNHCR warnt vor Asylgesetz

Heftige Kritik an den geplanten Verschärfungen des Asylgesetzes kam auch von den Flüchtlingsorganisationen. Das UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR warnt in seiner heute veröffentlichten Stellungnahme davor, den Zugang zu Asylverfahren drastisch einzuschränken.

Denn Österreich stehe vor einer "maßgeblichen" Richtungsentscheidung. "Wenn die geplante Gesetzesänderung in dieser Form beschlossen wird, wäre dies eine Abkehr einer jahrzehntelang gelebten Praxis mit massiven Auswirkungen auf den Flüchtlingsschutz", sagte Christoph Pinter, Leiter von UNHCR Österreich. Dass mittels Notstandsverordnung Schutzsuchende künftig per Schnellverfahren an der Grenze und ohne Einleitung eines Asylverfahrens in die Nachbarländer zurückgeschickt werden können, würde besonders schutzbedürftige Gruppen treffen.

"Der Gesetzesentwurf liefert keine stichhaltige Begründung für das Vorliegen einer derartigen Gefährdung", sagt Caritas-Generalsekretär Bernd Wachter. "Das Asyl- und Grundversorgungssystem in Österreich ist sicherlich gefordert, aber solange etwa ein Drittel der Gemeinden keine Flüchtlinge unterbringt, kann nicht von einer Gefährdung gesprochen werden."

"Abschaffung des Asylrechts"

Als eine "Abschaffung des Asylrechts" bezeichnet Michael Chalupka, Direktor der Diakonie Österreich, die Verschärfungen. Tritt die Notstandsverordnung in Kraft, würde die Situation für alleinreisende Flüchtlingskinder besonders dramatisch werden. "Ihnen wird keine Vertretung mehr beigestellt. Sie werden buchstäblich völlig schutz- und hilflos an der Grenze im Regen stehen gelassen", heißt es von der Diakonie.

Für den Samariterbund bräuchte es "zumindest einen Kriterienkatalog", nach dem sich das Vorliegen eines Notstands bestimme, "gesetzlich verankert und so präzisiert, dass die Bestimmungen nur in wirklichen Notsituationen zum Tragen kommen", sagt Samariterbund-Bundesgeschäftsführer Reinhard Hundsmüller. (Oona Kroisleitner, 21.4.2016)