Protest gegen die Journalistenprozesse in der Türkei und für die Pressefreiheit: In der jüngsten Rangliste von Reporter ohne Grenzen rutscht die Türkei auf Platz 151 von 180 ab.

Foto: APA/AFP/OZAN KOSE

Ankara/Paris – Für einen Beitrittskandidaten zur Europäischen Union ist es kein schmeichelhafter Platz: Die Türkei ist auf dem neuen Pressefreiheitsindex von Reporter ohne Grenzen (RSF) weiter abgerutscht. Rang 151 weist die am Mittwoch in Paris veröffentlichte Weltliste aus, zwei Plätze niedriger als im Vorjahr. Seither sind in der Türkei Oppositionszeitungen, TV-Kanäle und eine Nachrichtenagentur unter staatliche Zwangsverwaltung gestellt worden. Der Chefredakteur von Cumhuriyet, der wichtigsten regierungskritischen Zeitung, und deren Ankara-Korrespondent stehen wegen Spionage vor Gericht. Sie hatten einen Artikel geschrieben, der den Staatschef erboste.

Erdogans Offensive gegen Medien

Tayyip Erdogan habe eine Offensive gegen die Medien in der Türkei begonnen, stellt RSF fest, Journalisten würden schikaniert und das Internet systematisch zensiert. Die Türkei rangiert auf der jüngsten Liste nun vor der instabilen Demokratischen Republik Kongo und nach dem zentralasiatischen Autokratenstaat Tadschikistan. Schlusslicht sind Nordkorea und Eritrea.

Die Staaten mit der größten Pressefreiheit sind auch laut RSF Finnland und die Niederlande. Österreich ist, wie berichtet, auf Platz elf und um immerhin vier Punkte abgerutscht. Medienkonzentration und die Möglichkeit von Politikern, Verleumdungsklagen gegen Journalisten anzustrengen, werden kritisiert. Bulgarien, der kleine Nachbar der Türkei, ist auf Rang 113 der EU-Staat mit den schwerwiegendsten Problemen bei der Medienfreiheit.

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Wie subtil die Selbstzensur in den türkischen Mainstreammedien mittlerweile ist, ließ sich am Mittwoch in den Morgennachrichten von CNN Türk verfolgen. Die Redaktion machte die neue Rangliste der Pressefreiheit zu einem der drei Hauptthemen der Sendung. Auf den Ankündigungstafeln, vor denen der Moderator im Studio steht, fehlte aber der Begriff "Pressefreiheit" oder irgendein inhaltlicher Hinweis; stattdessen stand nur die Jahreszahl des Berichts.

Deportation von Volker Schwenck

Die Deportation des ARD-Journalisten Volker Schwenck beschäftigt derweil weiter die deutsche Öffentlichkeit. Die Türkei habe sich "zu einer autoritären Demokratie entwickelt, in der Pressefreiheit und Meinungsfreiheit keinen angemessenen Stellenwert mehr haben", sagte am Mittwoch der Fraktionschef der SPD im deutschen Bundestag, Thomas Oppermann. "Die innere Pressefreiheit in der Türkei ist bedroht, jetzt wird auch noch die internationale Berichterstattung behindert", sagte der SPD-Politiker.

Der in Kairo ansässige Nahostkorrespondent der ARD war am Dienstagmorgen auf dem Flughafen Atatürk in Istanbul gelandet und durfte dann nicht einreisen. Es gebe einen Vermerk bei seinem Namen, erklärten die Polizeibeamten. Schwenck wurde nach zwölf Stunden in eine Maschine zurück nach Kairo gesetzt.

Causa Böhmermann

Der Vorfall folgte auf die Affäre um den TV-Satiriker Jan Böhmermann und auf ein Erdogan-Lied im deutschen TV, das zur Einbestellung des Botschafters in Ankara führte. Die Bundesregierung sehe das "natürlich auch mit gewisser Sorge", sagte Angela Merkel über den Fall Schwenck. Die Kanzlerin ist Samstag in der Türkei. (Markus Bernath, 21.4.2016)